Journal Schweiz Arch Tierheilkd  
Verlag GST  
Heft Band 167, Heft 2,
Februar 2025
 
ISSN (print) 0036-7281  
ISSN (online) 1664-2848  
online seit 04 Februar 2025  
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Fokus

Das IVI forscht an einer Impfung gegen die Afrikanische Schweinepest

Nicole Jegerlehner

Das sehr komplexe Virus der Afrikanischen Schweinepest breitet sich aus und stellt Forschende vor Rätsel. Das IVI arbeitet in einem internationalen Kooperationsprojekt am Registrierungsdossier für einen Impfstoff.

Die Afrikanische Schweinepest (ASP) breitet sich in Europa aus. Auch wenn es in der Schweiz bisher keine Ausbrüche gab (siehe Kasten), sind Schweizer Forschende an der Entwicklung einer Impfung beteiligt: Am Institut für Virologie und Immunologie (IVI) in Mittelhäusern arbeiten die Teams rund um Artur Summerfield und Nicolas Ruggli zusammen mit sieben weiteren Instituten aus Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Spanien, Frankreich und den USA sowie mit dem Industriepartner Zoetis an einer Impfung für den europäischen Markt. Bei Wildschweinen soll der Impfstoff in Köder zur oralen Aufnahme formuliert werden. Im Rahmen des Horizon Europe Projektes ASFaVIP (African Swine Fever attenuated live Vaccines In Pigs) unter der Leitung des deutschen Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) wollen die Projektpartner zudem die schützende Immunantwort gegen das ASP-Virus identifizieren und damit auch verbesserte Impfstoffe entwickeln.

«Die ASP ist tödlich und nur schwer unter Kontrolle zu bringen», sagt Artur Summerfield, Leiter Immunologie am IVI und Professor an der Universität Bern. Auch wenn lokale Ausbrüche bei Wildschweinen bekämpft werden könnten, indem die Tiere umzäunt und dann geschossen würden, sei der Impfstoff für die Bekämpfung der Seuche dann essenziell, wenn sich das Virus geografisch weit verstreut wie in weiten Teilen von Osteuropa.

Viele Daten

Derzeit gibt es mit Vietnam weltweit nur ein einziges Land, das einen Impfstoff gegen ASP zugelassen hat. Ziel des Forschungsprojekts ASFaVIP ist es nun, ein Registrierungsdossier zu erstellen, damit der Impfstoff in Europa eingesetzt werden kann. Dazu sind viele Daten nötig: Wie lange ist die Immunitätsdauer des Impfstoffs? Wie wirkt er bei Schweinen verschiedenen Alters? Ist er bei trächtigen Tieren einsetzbar? Wie hoch müssen die Dosen sein? «Wir müssen die Effizienz und die Sicherheit des Impfstoffes nachweisen», sagt Artur Summerfield. Dabei geht es auch um die Frage, ob infizierte von geimpften Tieren unterschieden werden können. Um all diese Daten zu erheben und die Fragen beantworten zu können, setzt das IVI unter anderem Tierversuche an Hausschweinen ein.

«Wir versuchen auch zu verstehen, wie das Immunsystem des Schweins nach einer Infektion mit dem Virus der ASP funktioniert», sagt Artur Summerfield. Denn trotz sehr langer Forschung ist rund um die Tierseuche noch vieles unklar. Das ASP-Virus ist ein grosses DNA-Virus mit einem sehr komplexen Genom, das für rund 170 Proteine kodiert. «Es ist wesentlich grösser als die meisten Viren, die uns bedrohen.» Bisher habe man mit dem Ansatz «trial and error» versucht, Impfstoffe zu entwickeln. «Mit Korrelationsanalysen sind wir nun den immunologische Schutzmechanismen deutlich nähergekommen». Dazu wurden sehr grosse immunologische, klinische und virologische Datenmengen erhoben und diese mit Hilfe der Bioinformatik vertieft analysiert. «Auf diese Weise konnten wir die schützenden von den krank­machenden Immunantworten differenzieren und verwenden nun diese Information, um den Impfstoff anzupassen.»

Das Immunsystem

Ein grosses Fragezeichen besteht derzeit, weil der Antikörperlevel im Schwein nicht im Zusammenhang mit dem Schutz steht. «Wir verstehen nicht, wie die Antikörper bei ASP funktionieren», sagt Artur Summerfield. «Das Virus greift das Immunsystem an, es entsteht eine Immunpathologie, und so bringt letztlich nicht das Virus das Tier um, sondern die Immunantwort.» Um all das zu verstehen, sei mehr Grundlagenforschung nötig. «Wir wollen wissen, was genau passiert, und an welcher Stelle die Immunabwehr sich in die falsche Richtung bewegt.» Was derzeit klar ist: Es gibt nicht ein einzelnes virales Protein, das den Tieren einen immunologischen Schutz vermittelt.

Hausschweine können mit guter Biosicherheit der Betriebe, wie zum Beispiel durch Doppelzäune und Hygienemassnahmen, gegen eine Übertragung geschützt werden, auch wenn unter bestimmten Umständen eine Impfung durch Injektion sinnvoll sein kann. Da dies für Wildschweine nur bedingt möglich ist, wäre die Impfung in einem Köder sehr wünschenswert. In einer Wildpopulation kann jedoch nie sichergestellt werden, dass alle Tiere einen Köder fressen und geimpft sind. «Daher untersuchen wir im Projekt auch, wie viele Prozent einer Population geimpft sein müssten, damit die Ausbreitung des Virus gestoppt werden könnte.»

Der Impfstoff, für welchen das Kooperationsprojekt ASFaVIP ein Registrierungsdossier erstellt, enthält lebend attenuierte Viren. Es besteht also das Risiko, dass sich das Virus nach der Impfung verändert und virulenter werden könnte. «Bisher ist es aber die einzige Form von Impfstoffen, die einen Schutz gegen ASP bietet», sagt Artur Summerfield. Da nicht grossflächig geimpft werden soll, könne es je nach Region sinnvoll sein, den Impfstoff einzusetzen. «Der Impfstoff ist nicht perfekt, aber er ist gut genug, so dass der Nutzen die möglichen Schäden überwiegen wird.» Bis es soweit ist, dass der Impfstoff zugelassen wird, braucht es aber noch mehr Forschungsarbeit und mehr Daten.

Zum Video «Afrikanische Schweinepest: Klinische Symptome bei Schweinen – wie und wann reagieren?»

 

Für Wildschweine braucht es einen Köder mit dem Impfstoff zur oralen Aufnahme. (© zvg)

Ein sehr widerstandsfähiges Virus

Die für Menschen ungefährliche Tierseuche Afrikanische Schweinepest (ASP) befällt Haus- und Wildschweine. Sie war ursprünglich auf Afrika begrenzt. Dort wurde sie durch Lederzecken übertragen. Im Jahr 2007 wurde die ASP nach Georgien eingeschleppt, von wo aus sie sich in die Nachbarländer ausgebreitet hat. 2014 trat sie erstmals in den baltischen Staaten und Polen auf. Inzwischen hat sich die Krankheit bis nach Deutschland und Norditalien ausgebreitet. Besonders betroffen sind Gebiete nahe der Schweizer Grenze, darunter das südliche Piemont und der Bezirk Pavia. Hierzulande wurde bisher kein Fall nachgewiesen, doch stellt die ASP auch für die Schweiz ein ernstzunehmendes Risiko dar: Laut Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) wurde die Tierseuche bei Wildschweinen nur rund 55 Kilometer südwestlich der Schweizer Grenze festgestellt. Das Virus ist äusserst widerstandsfähig und langlebig: In Kadavern überlebt es mehrere Monate, und auch in gefrorenen, getrockneten oder gesalzenen Schweine- und Wildschweinefleischprodukten wie Rohschinken oder Würsten kann es über sechs Monate lang ansteckend bleiben. So wird die ASP in Europa durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren oder deren Kadavern übertragen sowie über Speiseabfälle mit kontaminiertem Schweinefleisch. So kann das Virus etwa in Reiseproviant in kurzer Zeit über grosse Distanzen hinweg transportiert werden. Reste von Sandwiches aus von ASP-betroffenen Gebieten, die auf Rastplätzen auf den Boden oder in offene Abfalltonnen geworfen werden, sind eine leicht zugängliche und bei Wildschweinen sehr beliebte Nahrungsquelle. Fressen Wild- oder Hausschweine solche Abfälle, kann ein neuer Infektionsherd entstehen. Darum sind Lebensmittelabfälle laut BLV zwingend in geschlossenen Abfallbehältern zu entsorgen. Auch über Autos, landwirtschaftlich genutzte Geräte und Ausrüstungsgegenstände wie beispielsweise Jagdausrüstungen kann sich die Tierseuche verbreiten.

 
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