Journal Schweiz Arch Tierheilkd  
Verlag GST  
Heft Band 166, Heft 2,
Februar 2024
 
ISSN (print) 0036-7281  
ISSN (online) 1664-2848  
online seit 30 Januar 2024  
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Vet-Info

Pelikan und Uhu werden geimpft

Nicole Jegerlehner

Ein Versuch macht es möglich: Die Vögel des Tierparks Bern und des Zoos Basel wurden gegen die H5N1-Vogelgrippe geimpft. Mit dem verwendeten Vektorimpfstoff können infizierte und geimpfte Tiere später serologisch unterschieden werden.

Der Aufwand war gross: 317 Vögel im Tierpark Bern und im Basler Zoo sind im August ein erstes Mal gegen die Vogelgrippe geimpft worden. Ihnen und einer Kontrollgruppe von 31 weiteren Tieren haben Tierärztinnen und Tierärzte zudem vor und nach der Impfung Blutproben entnommen. Im Spätherbst stand dann die zweite Impfung an, erneut verbunden mit Blutentnahmen.

Doch der Aufwand hat sich gelohnt: «Die ersten Resultate der Blutproben zeigen, dass der Schutz nach der zweiten Impfung sehr hoch ist», sagt Gert Zimmer. Der Virologe forscht am Institut für Virologie und Immunologie (IVI) in Mittelhäusern und an der Universität Bern und hat den Vektor­impfstoff entwickelt, der nun in den beiden zoologischen Einrichtungen eingesetzt wird.

Der Vektorimpfstoff

Um den Impfstoff herzustellen, wurde die genetische Information für ein wichtiges Oberflächenantigen des H5N1-Vogelgrippevirus in ein harmloses Trägervirus eingebaut und gleichzeitig ein essenzielles Gen des Vektors entfernt. «Das garantiert eine hohe Sicherheit, denn das Virus kann sich nicht vermehren und sich auch nicht verändern», sagt Gert Zimmer. Da der Vektorimpfstoff sich nicht im Körper ausbreiten kann, nachdem er intramuskulär verabreicht wurde, wird er auch nicht von den geimpften Tieren ausgeschieden.

Die wirtschaftliche Komponente

Da der Vektorimpfstoff nur ein Gen des jetzt zurzeit zirkulierenden H5N1-Vogelgrippevirus enthält, kann später im Blut der Zoovögel nachgewiesen werden, ob sie infiziert oder nur geimpft wurden. Bei den früher verwendeten Impfstoffen, die auf inaktivierten Vogelgrippeviren beruhten, war das nicht so einfach möglich. Wie Untersuchungen des IVI an Hühnern gezeigt haben, schützt der Impfstoff die Tiere nicht nur vor der Erkrankung, sondern verhindert auch, dass die infizierten Tiere H5N1-Viren ausscheiden. Damit ist ein wichtiges Argument gegen die Impfung ausgeräumt, nämlich dass die Tiere durch die Impfung geschützt sind, aber das H5N1-Virus weiter in sich tragen, und sich die Vogelgrippe so unbemerkt ausbreiten könnte.

Länder, die mit inaktivierten Impfstoffen gegen die Vogelgrippe vorgehen, könnten sich nicht mehr als seuchenfrei bezeichnen, da nicht nachweisbar ist, ob die Tiere infiziert oder geimpft sind; dies würde internationale Handelsbeschränkungen mit sich bringen. Hier bringt der IVI-Impfstoff einen grossen Vorteil «da im Blut der geimpften Vögel mithilfe einfacher serologischer Tests nachgewiesen werden kann, dass die Tiere geimpft, aber nicht infiziert sind», sagt Gert Zimmer.

Auch wenn nun die Zoovögel in Bern und Basel geimpft wurden, ist der vom IVI hergestellte Impfstoff nicht für eine generelle Anwendung zugelassen: Die Impfaktion läuft im Rahmen eines von den Behörden streng beaufsichtigten Forschungsprojekts. Und weil der Impfstoff einen gentechnisch veränderten Organismus enthält, benötigte das Projekt nebst der Tierversuchsbewilligung die Bewilligung für einen Freisetzungsversuch. «Das ist einmalig in der Schweiz, bisher wurden Freisetzungsversuche nur mit gentechnisch veränderten Pflanzen durchgeführt», sagt Gert Zimmer. Nach seiner Kenntnis gibt es zurzeit kein anderes Projekt in Europa, bei dem Zoovögel mit einem derartigen Vektorimpfstoff geimpft wurden.

Im Stall leiden die Vögel

Stefan Hoby ist Tierarzt des Tierparks Bern und sehr froh über die Impfung; dies wegen des Tierschutzes und des Artenschutzes. Der Tierpark nimmt an mehreren internationalen Zuchtprogrammen für bedrohte Vögel teil. «Da ist es schwierig, wenn die Vögel wegen aviären Influenzaviren sterben», sagt er.

Zudem leiden die Tiere, wenn sie nicht mehr im Freien sein können. «In den letzten zwei Jahren haben wir die Vögel jeweils über Monate hinweg einstallen müssen», sagt Stefan Hoby. «Das ist sehr nachteilig für sie.» Flamingos und Pelikane hatten mit der Zeit Fussprobleme, weil sie nicht mehr auf dem weichen Untergrund in ihren Teichen, sondern auf einem harten Boden standen. Für den Tierpark bedeutet die Impfung nun die Lösung dieser Probleme. «Die Vögel sind wieder draussen, das ist super», sagt Stefan Hoby. Aber auch die Impfaktion war anspruchsvoll. Dabei war die Impfung an sich das kleinste Problem, stressig war für die Tiere vor allem das Einfangen und die wiederholten Blutentnahmen, die nötig waren, um die Sicherheit des Impfstoffes und den Erfolg der Immunisierung zu prüfen.

Der Booster

Die bisherigen Resultate zeigen bereits, dass die Impfung bei allen 24 Vogelarten zur Produktion schützender, sogenannter neutralisierender Antikörper geführt hat. Nächsten Sommer werden die Tiere ein drittes Mal geimpft. Die Blut­entnahmen vor dem Booster werden zeigen, ob der Impfschutz auch langfristig besteht. «Denn das ist die noch offene grosse Frage», sagt Gert Zimmer: «Wie lange hält der Impfschutz an?»

Impfstoffhersteller gesucht

Der Impfstoff funktioniert, und nach bisherigen Erkenntnissen wird er auch nicht in die Umwelt ausgeschieden, so dass vom gentechnisch veränderten Organismus keine Gefahr ausgeht. Alles bestens also? «Wenn kein Unternehmen einsteigt und den Impfstoff produziert, bleibt die jetzige Impfaktion im Rahmen des Forschungsprojekts leider eine einmalige Sache», sagt Gert Zimmer. «Der Bedarf an solchen Impfstoffen ist jedoch recht gross. Viele anderen Zoos in der Schweiz haben bereits grosses Interesse angemeldet.» Stefan Hoby fügt an: «Vielleicht schliessen wir Schweizer Zoos uns zusammen und suchen gemeinsam eine finanzielle Lösung.»

Stefan Hoby beim Impfen eines Rosa Flamingos. (© Doris Slezak, zvg)

Wird aus der Vogelgrippe eine Zoonose?

In den letzten Jahren hat sich die H5N1-Vogelgrippe über die ganze Welt verbreitet. Trat die H5N1-Vogelgrippe in früheren Zeiten nur sporadisch auf, ist sie heute in einigen Regionen endemisch geworden. Immer wieder stellt sich die Frage, ob sich daraus eine Zoonose entwickeln könnte. «Bisher gibt es nur ganz wenige Krankheitsfälle bei Menschen, trotz der massiven Verbreitung in Vögeln», sagt Gert Zimmer vom Institut für Virologie und Immunologie (IVI). Bisher wurde auch keine Übertragung von Mensch zu Mensch beobachtet. «Mehr Sorge machen mir derzeit andere Säugetiere, die mit der Vogelgrippe infiziert wurden», sagt Gert Zimmer. Er denkt an Nerze auf Farmen in Spanien und Finnland, aber auch an Robben in Südamerika und junge Füchse.

 
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