Vet-Info
Die Diagnostik am IVI ist bereit für neue Herausforderungen
Das Institut für Virologie und Immunologie (IVI) ist das nationale Referenzlabor für 25 virale Tierseuchen, davon zehn hochansteckende. Die Ansprüche an eine moderne Tierseuchen-Diagnostik steigen, und so wurde die
Abteilung Diagnostik und Entwicklung neu strukturiert.
Claudia Bachofen, Sie leiten neu die Abteilung Diagnostik und Entwicklung am Institut für Virologie und Immunologie (IVI). Welche Prioritäten haben Sie?
Natürlich müssen wir unsere Kernkompetenz, die Tierseuchendiagnostik, im Alltag und in der Krise erhalten und fördern. Eine zentrale Rolle kommt dabei unseren routinierten Laborteams in Bern und Mittelhäusern zuteil. Es ist aber auch essentiell, dass wir technologisch und methodologisch Up-to-date bleiben. Die Einführung moderner Sequenzierungsmethoden wie next generation sequencing (NGS) in die IVI-Diagnostik ist darum eine meiner Prioritäten.
Welche Herausforderungen sehen Sie auf Grund von Klimawandel und Globalisierung für die Tierseuchen-Diagnostik?
Wir sind in Europa zunehmend mit Viren konfrontiert, die früher als exotisch galten und die man nur vom Lehrbuch kannte. Neben dem latenten Risiko für die (Wieder-)Einführung von «altbekannten» Seuchen wie die Maul- und Klauenseuche, vor allem durch menschliche Mobilität, sehe ich die Gefahr vor allem in Viren, die ein Reservoir in Wildtieren etablieren, wie bei der Afrikanische Schweinepest und in Vektorübertragenen Viren. Gerade bei Letzteren wissen wir nicht, was noch alles auf uns zukommen könnte. Klar ist, dass die Vielfalt und Verbreitung von Mücken und Zecken in der Schweiz steigt. In dieser Situation kann NGS helfen, die virale Diversität zu überwachen und «neue» Viren zu erkennen. Aber auch unsere spezifischen diagnostischen Mittel müssen konstant der aktuellen Bedrohungslage angepasst und wo nötig aktualisiert werden.
Das IVI ist unter anderem ein Referenzlabor für die Bovine Virus-Diarrhoe (BVD). Was gibt es Neues in der Diagnostik?
Gerade die Schlussphase der BVD-Bekämpfung ist besonders langwierig und anfällig für Rückschläge. Die relativ aufwändige Differenzierung zwischen BVD-Virus und Border-Disease-Virus beschäftigt uns im Moment besonders. Ausserdem prüfen wir, ob neue Sequenzierungsmethoden eine genauere Rückverfolgung der Infektionsketten ermöglichen und so bei der Aufklärung verbleibender Infektionen helfen können.
Die Tollwutzentrale liegt auch in Ihren Händen. Sie haben nicht nur eine sehr wichtige Informationsfunktion, sondern führen auch zahlreiche Analysen durch. Was sollte jeder Tierarzt wissen?
Der illegale Import von Hunden und Katzen aus Regionen mit – vor allem urbaner – Tollwut stellt eine konstante Bedrohung dar. Tierärztinnen und Tierärzte sind einem besonders grossen Risiko ausgesetzt, da gerade beim Auftreten von neurologischen Symptomen und Verhaltensauffälligkeiten bei Heimtieren die Praxis aufgesucht wird. Obwohl die Schweiz frei ist von Tollwut, lohnt es sich darum, die Tollwut nicht ausser Acht zulassen und sich prophylaktisch impfen zu lassen.
Im vergangenen Sommer wurde das Westnil-Virus (WNV) zum ersten Mal in der Schweiz nachgewiesen, in Mücken im Tessin. Welche Rolle spielt das IVI dabei?
Wir sind das nationales Referenzlabor für WNV bei Pferden, eine zu überwachende Tierseuche, und dehnen die Diagnose-Kompetenz derzeit auch auf die wichtigsten Differentialdiagnosen wie Usutu-Virus und Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus aus. Ausserdem stehen wir in engem Ausstauch mit Organisationen aus Entomologie, Human- und Veterinärmedizin, denn WNV ist eine typische Zoonose.
Afrikanische Schweinepest oder Vogelgrippe, um nur einige der hochansteckenden Viren zu nennen, die derzeit in den Schlagzeilen sind: Was leistet das IVI in diesem Bereich?
Das IVI ist nationales Referenzlabor für alle hochansteckenden, viralen Tierseuchen. Unser Hochsicherheitslabor in Mittelhäusern ist das einzige Labor in der Schweiz, welches diese Viren offiziell diagnostizieren darf. Nur bei der aviären Influenza ist die Situation etwas speziell, da die primären Untersuchungen am Nationalen Referenzzentrum für Geflügel- und Kaninchenkrankheiten (NRGK) durchgeführt werden und die Proben erst bei Verdacht auf ein hochpathogenes Virus oder zur genaueren Charakterisierung zu uns kommen.
Sie sind dabei, die Viren der Vogelgrippe, die diesen Winter in der Schweiz zirkulierten, zu sequenzieren. Haben Sie bereits Ergebnisse?
Dank NGS-Verfahren konnten wir das aviäre Influenza-Virus aus positiven Proben vollständig sequenzieren. So wissen wir schnell, welche Genotypen in Vögeln in der Schweiz zirkulieren und wie einzelne Ausbrüche zusammenhängen. Ausserdem können die Viren auf Mutationen untersucht werden, die das zoonotische Potential erhöhen können. Bis jetzt konnten wir drei verschiedene H5N1-Genotypen nachweisen, aber es stehen noch weitere Sequenzierungen an.
Das neue Diagnostikteam des IVI stellt sich vor
- Abteilungsleitung – Claudia Bachofen: Studium der Veterinärmedizin und Dissertation in Bern, mehrjähriger Forschungsaufenthalt in Schottland, Dozentin, Forschungsgruppen- und Diagnostikleiterin am Virologischen Institut (Vetsuisse Zürich), am IVI seit September 2022.
- Fachbereich Tollwutzentrale – Daniela Hüssy: Studium der Veterinärmedizin und Dissertation in Zürich, Diagnostik in der Veterinärbakteriologie/ZOBA in Bern und am Zentrum für Labormedizin St.Gallen, am IVI seit 2016, Leitung Tollwutzentrale seit November 2022.
- Fachbereich Hochansteckende Tierseuchen – Karin Darpel: Studium der Veterinärmedizin in Hannover, Dissertation und Forschungsgruppenleitung am Pirbright Institute und Dozentin an der University of Surrey (UK), seit Dezember 2022 am IVI.
- Fachbereich Auszurottende Tierseuchen – Carlos Abril: Studium der Veterinärmedizin an der Universidad de los Llanos Orientales (Kolumbien), Dissertation am Virologischen Institut (Vetsuisse Zürich), Forschungsgruppenleiter in der Veterinärbakteriologie/ZOBA in Bern, Diagnostik Suisselab AG, am IVI seit 2015.
- Fachbereich Vektorübertragene Tierseuchen – Jakub Kubacki: Studium der Veterinärmedizin in Olsztyn (Polen), Dissertation und Forschungsgruppenleiter am Virologischen Institut (Vetsuisse Zürich), am IVI seit Februar 2023.
Die Abteilung Diagnostik und Entwicklung am IVI
Die Aufgaben der Abteilung Diagnostik und Entwicklung am Institut für Virologie und Immunologie (IVI) sind sehr vielseitig. Im Krisenfall müssen Proben schnell und zuverlässig untersucht und die Viren charakterisiert werden. In ruhigeren Zeiten besteht die Kernaufgabe vor allem in der Durchführung von Verdachts-, Ausschluss- und Bestätigungsuntersuchungen. Neben der Laborarbeit gehören fachliche Beratungen und Expertisen – zum Beispiel die Mitarbeit an technischen Weisungen und Zulassungsverfahren von Diagnostika –, das Mitwirken in diversen veterinärdienstlichen Kommissionen und der Austausch mit anderen Referenzlabors im In- und Ausland zu wichtigen Aufgaben. Die Abteilung bildet aber auch Biologie-Laborantinnen und -laboranten aus, beteiligt sich an der Lehre von Veterinärstudierenden und an der amtstierärztlichen Weiterbildung. Die Entwicklung neuer diagnostischer Methoden, die ständige Aktualisierung bestehender diagnostischer Methoden sowie angewandte Forschungsprojekte im Bereich der Überwachung und Diagnose von Tierseuchen und Zoonosen gehören auch zu ihren Aufgaben.
Die Abteilung Diagnostik und Entwicklung besteht neu aus fünf Fachbereichen beziehungsweise thematischen Gruppen: Hochansteckende Tierseuchen, Vektorübertragene Tierseuchen, Auszurottende Tierseuchen und die Tollwutzentrale. Der fünfte Fachbereich, Entwicklung und Bioinformatik, den Claudia Bachofen leitet, agiert fachbereichsübergreifend und koordiniert die Entwicklungsprojekte.