Journal Schweiz Arch Tierheilkd  
Verlag GST  
Heft Band 163, Heft 9,
September 2021
 
ISSN (print) 0036-7281  
ISSN (online) 1664-2848  
online seit 01 September 2021  
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Vet-Info

Die Forschung über die Afrikanische Schweinepest ist für die Prävention und die Bekämpfung von zentraler Bedeutung

Zwar ist die Schweiz heute nicht von der Afrikanischen Schweinepest (ASP) betroffen, das Institut für Virologie und Immunologie (IVI) arbeitet aber dennoch an der Erforschung der Eigenschaften der in Europa zirkulierenden ASP-Stämme.

Denn bei einem Ausbruch in der Schweiz ist es wichtig, eine effiziente und sichere Labordiagnostik zu gewährleisten und stets auf dem neusten Stand der Forschung zu sein, um dem Veterinärdienst Schweiz wichtige virologische, immunologische, klinische und pathologische Informationen liefern zu können.

Das IVI befasst sich mit der Grundlagenforschung sowie der angewandten Forschung und Labordiagnostik zur Unterstützung der Kontrolle von hochansteckenden Tierseuchen und anderen viralen Tierkrankheiten, einschliesslich Zoonosen. Die Ausbrüche der ASP bei Wildschweinen in mehreren, zum Teil weit auseinanderliegenden EU-Ländern haben gezeigt, dass die Schweiz darauf vorbereitet sein muss. Das IVI spielt eine Schlüsselrolle bei der Vorbeugung und Früherkennung der ASP: Sein Diagnostiklaboratorium analysiert Proben von tot aufgefundenen, kranken oder verletzten Wildschweinen mit PCR-Tests. Diese Tests sind u. a. für die derzeit in Europa zirkulierenden Stämme des Genotyps II validiert und werden gegebenenfalls entsprechend der Entwicklung des Virus und der epidemiologischen Lage aktualisiert. Das IVI untersucht auch die Entwicklung der mit diesen Stämmen verbundenen Erkrankung, damit sie besser beschrieben und von Schweinehaltenden und Tierärztinnen/Tierärzten rechtzeitig erkannt werden kann. Es untersucht das Virus auf molekularer Ebene und die Reaktion des Immunsystems auf eine Infektion, um festzustellen, welche Art von Immunreaktion zu einem Schutz führt. Und schliesslich nutzt das IVI sein Forschungswissen für die Entwicklung von Impfstoffen gegen die ASP.

Interview mit Dr. Nicolas Ruggli, ­Tierarzt und Virologe am IVI  

Die ASP ist in den allermeisten Fällen tödlich. Wie betreiben Sie Ihre Forschung über die Immunreaktion von Schweinen?

Die ASP verläuft bei den derzeit in Europa zirkulierenden Stämmen zu fast 100 Prozent tödlich, was bedeutet, dass fast alle Wild- und Hausschweine innerhalb von 3 bis 7 oder 10 Tagen nach Auftreten der Symptome sterben. Sie sterben also bevor sich die spezifische Immunreaktion entwickeln kann, das heisst, bevor wir sie studieren können. Deshalb untersuchen wir die seltenen Stämme, die auf natürliche Weise ihre Virulenz und Letalität verloren haben, sodass wir den gesamten Krankheitszyklus bis zur Genesung studieren können.

An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass alle Versuche, die am IVI durchgeführt werden, den strengen Anforderungen der Tierschutz- und Tierversuchsverordnung unterliegen und erst nach sorgfältiger Prüfung aller Verfahren und vor allem der Güterabwägung vom kantonalen Veterinäramt bewilligt werden.

Kann die ASP klinisch von der klassischen Schweinepest unterschieden werden?

Bei den klinischen Symptomen ist es nicht möglich, zwischen den beiden Krankheiten zu unterscheiden, ausser aufgrund der Geschwindigkeit, mit der sie sich ausbreiten: Die ASP breitet sich innerhalb eines Betriebs relativ langsam aus und befällt zunächst nur einige wenige Tiere. Sie ist relativ wenig ansteckend, auch wenn sie in der Tierseuchenverordnung als «hochansteckende Seuche» eingestuft ist, denn das Virus verbreitet sich hauptsächlich durch die Aufnahme von virushaltigen Blut, Körpersekreten oder Fleischerzeugnissen. Die ASP wird nicht wie die klassische Schweinepest oder die Maul- und Klauenseuche durch Tröpfcheninfektion und daher auch nicht so schnell wie diese übertragen.

Welches sind die sichtbaren Symptome, auf die Schweinehaltende und Tierärzt­innen/Tierärzte achten müssen?

Die Tiere können sterben, noch bevor es zu äusseren Blutungen oder einer «Blauverfärbung» der Ohren kommt, obwohl die ASP eindeutig eine hämorrhagische Krankheit ist.

Daher sollte man sehr genau auf folgende, in den ersten 3 bis 5 Tagen der Krankheit unspezifisch auftretenden Symptome achten:

  • Appetitlosigkeit
  • Apathie (Vitalitätsverlust)
  • hohe Temperaturen bis 41 °C und mehr
  • oft mit Schwäche oder Lähmung der hinteren ­Gliedmassen.

Man soll also nicht auf Hautblutungen oder «blaue Ohren» warten, bevor man reagiert. Und lieber die ASP einmal zu oft ausschliessen als zu spät reagieren! Eine definitive Diagnose kann allerdings nur durch eine Laboranalyse erfolgen.

Ab wann kann ein Bluttest die ASP ­bestätigen bzw. ausschliessen?

Sobald erste unspezifische Symptome und Fieber auftreten, ist die Viruslast im Blut sehr hoch, bereits fast auf ihrem Maximum. Das ASP-Virus ist also bereits in diesem frühen Krankheitsstadium durch einen PCR-Test zuverlässig nachweisbar. Das heisst, wenn bei unspezifischen Symptomen und Fieber der Labortest (PCR) bei einer Blutprobe negativ ausfällt, ist der Ausschluss sicher.


Fragen an Prof. Dr. Charaf Benarafa, Tierarzt und Immunologe am IVI

Das Virus ist seit hundert Jahren bekannt, und doch gibt es immer noch weder ­Impfstoff noch Medikament gegen die ASP. Warum ist das so?

Das ASP-Virus ist gross und komplex. Es weist ein grosses Genom mit fast 160 Genen auf, und von etwa der Hälfte von ihnen kennen wir (noch) nicht einmal die Funktion! Zum andern kommt die Komplexität daher, dass das ASP-Virus spezifisch Zellen des Immunsystems von Schweinen infiziert, vor allem die Makrophagen, deren normale Funktionsweise es beeinträchtigt.

Parallel zur Erforschung der Krankheit auf klinischer Ebene studieren Sie auch die Immunreaktion der Schweine – was ist das Ziel?

Wir versuchen zu verstehen, warum gewisse Schweine eine tödliche Krankheit entwickeln, während andere überleben. Gewiss spielen hier viele Faktoren eine ­Rolle, z. B. der Virusstamm, die Genetik der Schweine, Umwelteinflüsse, das Vorhandensein anderer Krankheits­erreger usw.

Gibt es einen Impfstoff?

Bis heute gibt es in keinem Land zugelassene Produkte, und auf experimenteller Ebene ist der Erfolg durchzogen. Die einzigen experimentellen Impfstoffe, die einen gewissen Schutz bieten, sind Lebendimpfstoffe, was aber Probleme einer möglichen Verbreitung des Impfstamms in der Natur mit sich bringt. Zudem ist noch nicht wirklich klar, welche Faktoren der Immunreaktion zum Schutz beitragen und welche nicht. Es muss also noch viel Arbeit geleistet werden, um die Immunreaktion besser zu verstehen, durch die das Schwein geheilt oder vor der Krankheit geschützt werden kann.

Weshalb ist das so schwierig?

Viele Herausforderungen stehen im Zusammenhang mit den Grundeigenschaften des Virus: Es besitzt zahlreiche Mechanismen, um der Immunreaktion zu entgehen. Dazu gibt es experimentell kein Kleintiermodell, an dem man die Immunreaktion oder die Wirksamkeit eines Impfstoffs umfassend testen könnte: Alle Studien müssen an Schweinen oder Wildschweinen in einem Hochsicherheitslabor wie dem des IVI durchgeführt werden.

Nicolas Ruggli
Charaf Benarafa

Informationen über die ASP

 
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