Verbandsnachrichten
GST-LaufbahnstudieDem Beruf treu sein – in Teilzeitanstellung
Die grosse Mehrheit der Tierärztinnen und Tierärzte ist ihrer beruflichen Tätigkeit während der ganzen Laufbahn treu. Stark verändert haben sich im Verlauf der Zeit strukturelle Faktoren: Teilzeitarbeit kommt heute deutlich häufiger vor. Der Anteil Selbständige ist gesunken. Und: Kleintiere haben Nutztiere als häufigste Ausrichtung abgelöst.
Es passieren deutliche Verschiebungen in der Tierärzteschaft. Beispielshaft lassen sie sich beim Vergleich der Situation von 35-jährigen Tierärztinnen und Tierärzten zeigen. War vor 30 Jahren lediglich rund ein Fünftel der 35-jährigen Tierärzteschaft weiblich, so stellen Frauen heute in dieser Altersgruppe mit gut drei Vierteln die klare Mehrheit. Stark verändert hat sich in den letzten 30 Jahren auch der Beschäftigungsgrad der 35-Jährigen. Mitte der 1980er Jahre gab es Teilzeitarbeit noch praktisch nicht (8%). Heute arbeitet mehr als die Hälfte der Tierärztinnen und Tierärzte in diesem Alter nicht Vollzeit. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bei der Erwerbsform: Waren vor 30 Jahren über 60% der 35-jährigen tierärztlichen Berufsleute selbständig, so sind es heute nur noch 22%, der Rest arbeitet in einer Anstellung.
Keine signifikanten Veränderungen hingegen lassen sich bei der Verteilung der beruflichen Tätigkeit feststellen. Abbildung 1 zeigt lediglich eine tendenzielle Zunahme der im Alter von 35 Jahren als Spezialist (2% vor 30 Jahren vs. 9% heute) oder im öffentlichen Dienst (4% vor 30 Jahren vs. 8% heute) Tätigen. Ebenfalls nur tendenziell gesunken ist der Anteil derjenigen, welche in einer Praxis oder Klinik tätig sind.
Kleintiere verdrängen Nutztiere
Für die Betrachtung der Tierart, mit welcher sich die Tierärzteschaft beschäftigt, wurden nur diejenigen befragt, welche praxisnah arbeiten: Mitarbeitende in Praxen, Kliniken sowie Beratungsdiensten. Hier kommen wiederum signifikante Verschiebungen ans Licht: Mitte der 1980er Jahre arbeiteten noch rund die Hälfte der 35-jährigen praktizierenden Tierärztinnen und Tierärzte im Nutztierbereich, rund ein Viertel in einer Gemischtpraxis (je 50% Nutz- und Kleintiere) und nur gut ein Fünftel ausschliesslich mit Kleintieren, wie Abbildung 2 zeigt. Mitte der 2000er Jahre waren hingegen nur noch rund ein Viertel der 35-jährigen Tierärztinnen und Tierärzte ausschliesslich im Nutztierbereich tätig, dafür über 50% im Kleintierbereich. Der Trend scheint sich aber in den letzten 10 Jahren nicht fortgesetzt zu haben. Auffallend ist auch die Zunahme der Tätigkeiten im Bereich Pferde.
Tierärzte bleiben der Praxis treu
Die bisherigen Auswertungen zeigten Veränderungen in der beruflichen Laufbahn anhand von zeitbezogenen Querschnittsbetrachtungen. Wie sehen aber die individuellen Laufbahnen aus? Wann hat eine Person die «Berufliche Tätigkeit», die «Tierart/Praxisausrichtung» oder den «Beschäftigungsgrad» gewechselt und wieso? Weil davon ausgegangen werden kann, dass die meisten Wechsel zwischen Alter 30 und 40 stattfinden, wurden diese beiden Datenpunkte miteinander verglichen.
Wie Abbildung 3 zeigt, bleiben insbesondere Tierärztinnen und Tierärzte, die in einer Praxis oder Klinik arbeiten, ihrer beruflichen Tätigkeit zwischen 30 und 40 Jahren häufig treu: Von den 65% der Befragten, die mit 30 in einer Praxis oder Klinik gearbeitet haben, tun dies 86% auch mit 40 Jahren noch. Bei rund 8% kommt es in dieser Zeit zu einem Wechsel in die Verwaltung oder Industrie. Ein Wechsel in andere Kategorien betrifft Einzelfälle. Am häufigsten wechseln in der fraglichen Zeitspanne Tierärztinnen und Tierärzte, die mit 30 in der Lehre oder Forschung angestellt waren (23%) – oft wohl als Doktoranden –, ihre berufliche Tätigkeit: Knapp ein Drittel von ihnen ist mit 40 in einer Praxis oder Klinik tätig, knapp ein Fünftel wechselt bis 40 in die Verwaltung oder Industrie. Rund 42% sind mit 40 nach wie vor in der Lehre und Forschung tätig.
Nimmt man diese Auswertungen getrennt nach verschiedenen Kohorten vor, so scheinen die jüngeren Generationen in der Alterspanne 30 bis 40 etwas häufiger ihre berufliche Tätigkeit zu wechseln als dies noch bei älteren Generationen der Fall gewesen ist. Nach Geschlecht lassen sich nur sehr kleine Unterschiede feststellen.
Blickt man auf die Motive, so zeigt sich, dass am häufigsten aufgrund einer «interessanteren Tätigkeit» gewechselt wird. Andere Motive (Karrieregedanken, Arbeitszeitbelastung, bessere Entlöhnung etc.) scheinen weniger gewichtig. Demnach werden tierärztliche Laufbahnen nicht zuletzt durch die «inhaltliche Attraktivität » oder die «Faszination für ein Gebiet» beeinflusst.
Tierärzte bleiben der Tierart treu
Die Tierärztinnen und Tierärzte bleiben nicht nur gegenüber der praktischen Arbeit, sondern auch gegenüber der Tierart weitgehend treu: Wer mit 30 mit Kleintieren gearbeitet hat, tut dies mit einer Wahrscheinlichkeit von 97% auch mit 40 Jahren noch. Bei Pferden ist die Verbleibquote bei 72%. Von jenen 38% der Tierärzteschaft, die mit 30 hauptsächlich mit Nutztieren gearbeitet haben, wechseln 9% bis 40 in Gemischtpraxen und weitere 8% in den Bereich Kleintiere (Abbildung 4). Aus den Gemischtpraxen wechselt zudem ein Fünftel zwischen 30 und 40 zu einer reinen Kleintierausrichtung.. Kommt es während der Laufbahn zu einem Wechsel der Tierart, so ist tendenziell eine Bewegung weg von der reinen Nutztierausrichtung zu erkennen.
Frauen auf dem Vormarsch
Grosse Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt es beim Beschäftigungsgrad. Im Alter von 30 Jahren liegt der Anteil Vollzeit erwerbstätiger Männer bei 94%. Von den Frauen arbeiten 69% voll. Die Hälfte von ihnen wechselt dann bis 40 in eine Teilzeitanstellung. Bei den Männern wechselt nur ein sehr kleiner Anteil zwischen 30 und 40 ihren Beschäftigungsgrad.
Familiäre Gründe bilden mit Abstand das wichtigste Motiv um von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung zu wechseln. Gefolgt vom Wunsch nach «Mehr Zeit für persönliche Interessen».
Methodisches Vorgehen und Datengrundlage
Kern der Studie bildet die Erfassung der beruflichen Laufbahnen bei den rund 3000 GST-Mitgliedern. Um die Repräsentativität zu erhöhen, wurden zusätzlich folgende Gruppen befragt: Alumni-Mitglieder, Absolventinnen und Absolventen der beiden Fakultäten Bern und Zürich sowie Mitglieder der Tierärztlichen Vereinigung für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit (TVL). Als Erhebungsinstrument diente ein Online-Fragebogen, der den beruflichen Status und weitere Merkmale zu bestimmten Zeitpunkten (Alter) in 5-Jahresschritten retrospektiv erfasst. Die Datengrundlage bilden 1767 auswertbare Fragebogen, was einem Rücklauf von rund 46% entspricht. Der Vergleich mit Merkmalen in der Ausgangsstichprobe deutet darauf hin, dass die Tierärzteschaft in der Befragungsstichprobe gut repräsentiert ist. Durchgeführt hat die Studie das Büro BASS in Bern.
Drei Laufbahn-Typen
Werden mittels eines statistischen Modells die häufigsten Laufbahntypen berechnet, so lassen sich bezüglich beruflicher Tätigkeit folgende drei Haupttypen identifizieren: Rund 57% aller erfassten Tierärztinnen und Tierärzte verbringen ihre Laufbahn in einer «Praxis bzw. praxisnahen» Tätigkeit, sind also während der gesamten Karriere in einer Praxis oder Klinik tätig oder arbeiten als Spezialisten, Belegtierärzte oder in einem Beratungsdienst. Rund 30% der Tierärzteschaft verbringt praktisch ihre ganze Laufbahn in einer «praxisfernen» Tätigkeit, arbeitet also an einer Universität, in der Verwaltung oder in der Industrie. Nur rund 13% der Tierärztinnen und Tierärzten lassen sich dem Laufbahntyp zuordnen, der durch einen Wechsel im Laufe der Laufbahn ab Alter 40 von einer «praxisnahen» hin zu einer «praxisfernen» Tätigkeit charakterisiert ist.
Den ausführlichen Gesamtbericht können Sie auf der GST-Webseite herunterladen: www.gstsvs.ch/studien