Journal Schweiz Arch Tierheilkd  
Verlag GST  
Heft Band 159, Heft 7,
Juli 2017
 
ISSN (print) 0036-7281  
ISSN (online) 1664-2848  
online seit 03 Juli 2017  
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Vet-Info

Letzte Phase der BVD-Ausrottung: Durch Wachsamkeit zum Ziel

www.blv.admin.ch

Heute sind über 99% der Schweizer Rinderhaltungen BVD-frei. Das ist erfreulich und zeigt, dass das BVD-Ausrottungsprogramm trotz einzelner regionaler Ausbrüche gesamtschweizerisch sehr gut funktioniert. Die letzten Infektionsherde halten sich jedoch hartnäckig. Es braucht eine erhöhte Wachsamkeit, um das Ziel der vollständigen Ausrottung zu erreichen.

Seit Wochen hat Landwirt Ueli Müller kränkelnde Kälber im Bestand, die leichten Durchfall zeigen und ab und zu husten. Landwirt Müller macht sich darum etwas Sorgen. Er beschliesst aber, abzuwarten und die Kälber weiter zu beobachten. Als drei Wochen später der Bestandestierarzt vorbeikommt, erwähnt der Landwirt nebenbei, dass einige Kälber bei ihm «nicht so gut tun». Der Tierarzt Franz Meier schaut sich die Kälber an. Er klärt einige Durchfall- und Lungenerkrankungen ab und macht einen Behandlungsversuch. Der Gedanke an BVD kommt ihm jedoch leider nicht.

Zwei Monate später erhält Landwirt Müller vom kantonalen Veterinäramt den Bescheid, dass die Untersuchung der Tankmilch auf BVD-Antikörper im Rahmen der BVD-Überwachung einen positiven Befund ergeben hat. Die weiteren Untersuchungen liefern das für den Landwirt überraschende Resultat: Ein vor vier Monaten in seinem Bestand geborenes Kalb ist persistent mit dem BVD-Virus infiziert! Sofort sperrt das kantonale Veterinäramt seinen Betrieb. Es folgen aufwendige epidemiologische Abklärungen, um die Infektionsquelle und mögliche Parallel- und Folgeinfektionen zu ermitteln. Der Landwirt ärgert sich, denn das kranke Kalb ist ihm schon länger aufgefallen. Im Vergleich zu Gleichaltrigen ist es stark in der Entwicklung zurückgeblieben. Nun bleibt der Betrieb von Ueli Müller für mindestens zwei Wochen gesperrt. Die trächtigen Kühe dürfen den Betrieb nicht verlassen, bevor die Kälber geboren und negativ auf das BVD-Virus untersucht worden sind. Hätte er bloss früher an BVD gedacht und den Tierarzt gerufen. Aber er hatte doch noch nie BVD im Stall. Warum hat ihn sein Bestandestierarzt nicht auf die Möglichkeit einer BVD-Infektion hingewiesen? Er hatte das Kalb bei seinem Besuch vor über zwei Monaten doch auch gesehen!?

Das BVD-Ausrottungsprogramm in der Schweiz ist eine Erfolgsgeschichte. Dank der aufwendigen, aber sehr erfolgreichen Bekämpfung ist das BVD-Virus in der Schweiz heute beinahe ausgerottet. Über 99% der Rinderhaltungen haben aktuell den Status «BVD-frei». Die Anzahl der Tierhaltungen, in denen noch Antikörper gegen das Virus gefunden werden, sinkt kontinuierlich. Das Virus zirkuliert somit kaum noch.

Soweit so gut. Wären da nicht noch einzelne Infektionsketten vorhanden wie im eingangs erwähnten fiktiven Beispiel. Diese Situation ist unangenehm, aber nicht unnatürlich. Bei jedem Ausrottungsprogrammsind die letzten Infektionsherde am schwierigsten zu eliminieren. Der Veterinärdienst Schweiz unternimmt enorme und intensive Anstrengungen, um die letzten persistent mit dem BVD-Virus infizierten Tiere aufzuspüren und die Infektionsketten rasch zu unterbrechen. Dennoch ist ein regionales Aufflackern jederzeit möglich. Dies zeigt sich aktuell auch bei BVD. Die Infektionskrankheit tritt mit grösserer Wahrscheinlichkeit dort auf, wo die Rinderzucht ihre Kerngebiete hat.

Fakt ist: Mit fortschreitender Ausrottung wird die Schweizer Rinderpopulation empfänglicher gegen das nur noch selten zirkulierende Virus. Denn mit der Abnahme der Seroprävalenz schwindet auch der Schutz vor einer Infektion. In BVD-freien Betrieben kann es so zu Neuinfektionen kommen. Aufgrund des intensiven Tierverkehrs kann sich das Virus rasch in weitere Bestände ausbreiten und zu grossen wirtschaftlichen Schäden führen.

Die Ausbreitung kann nur verhindert werden, wenn die infizierten Tiere möglichst rasch erkannt und die richtigen Massnahmen getroffen werden. In dieser letzten Phase der BVD-Ausrottung ist es daher ausserordentlich wichtig, dass Tierhaltende, Tierärztinnen und Tierärzte wachsam bleiben. Bekämpfungsmassnahmen, Sperren und grundsätzliche Vorgaben der Tierverkehrskontrolle sind strikt einzuhalten. Gerade für die Früherkennung von BVD-Infektionen ist der Veterinärdienst Schweiz im Besonderen auf die Mithilfe der Tierärztinnen und Tierärzte im Feld angewiesen.

Die BVD hat viele Gesichter; die Symptome sind nicht immer eindeutig. Vermehrtes Umrindern, vermehrtes Auftreten von Aborten sowie Kümmerer im Bestand können Hinweise auf ein BVD-Geschehen im Betrieb sein. Bei akuten Infektionen sind Durchfall, Fieber, Fressunlust, Nasen- und Augenausfluss sowie Erosionen im Bereich des Flotzmauls und der Gingiva und im Zwischenklauenspalt klassische Symptome für BVD. Hier ist umgehendes Handeln angesagt. Aber auch bei einzelnen kranken Tieren im Bestand mit unspezifischen Symptomen muss stets an BVD gedacht werden. Nehmen Sie also zum Beispiel auch von Kälbern, die im Vergleich zu Gleichaltrigen im Wachstum zurückgeblieben sind, oder von kränkelnden Tieren mit leichtem Husten oder leichtem Durchfall eine EDTA-Blutprobe (10 ml). Lassen Sie die Proben in einem für BVD anerkannten Laboratorium auf das Virus untersuchen. Die virologischen Untersuchungen erfolgen mittels RT-PCR oder Antigen-ELISA. Beachten Sie, dass nur Blutproben von über sechs Monate alten Tieren mit dem Anti- gen-ELISA untersucht werden dürfen. Die Kosten werden vom Kanton übernommen.

Zur Untersuchung eines Aborts oder einer Totgeburt senden Sie idealerweise eine frische oder tiefgefrorene Hautbiopsie oder Ohrgewebeprobe an ein BVD-anerkanntes Laboratorium zur Untersuchung auf das BVD-Virus (RT-PCR oder Antigen-ELISA). Lassen Sie von der betroffenen Kuh eine Serumprobe auf BVD-Antikörper untersuchen. Falls der Verdacht besteht, dass die Kuh selbst ein persistent infiziertes Tier ist, nehmen Sie anstelle einer Serumprobe eine EDTA-Blutprobe und lassen Sie diese serologisch und virologisch auf BVD untersuchen. Bei Unklarheiten sowie umfangreicheren Untersuchungen (mehrere Tiere eines Bestandes) sollten Sie vor der Probenahme Rücksprache mit dem zuständigen kantonalen Veterinäramt nehmen.

Das Ziel, die endgültige Ausrottung der BVD, ist in Sichtweite. Es braucht aber noch einen letzten Schritt, eine letzte grosse Anstrengung zur Ausrottung der BVD in der Schweiz. Die nordeuropäischen Länder Schweden, Norwegen, Finnland und Dänemark haben es gezeigt: Die vollständige Ausrottung der BVD ist möglich.

Weitere Informationen zum Thema Ausrottung der BVD finden Sie unter https://www.blv.admin.ch/blv/de/home/tiere/tierseuchen/bekaempfung/ausrottung-bvd.html

Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen

Ein persistent mit dem BVD-Virus infiziertes Kalb (vorne), das im Vergleich zu einem gleichalten Kalb im Wachstum zurückgeblieben ist. (Bild: L. Müller, Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen, St. Gallen)
 
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