Nachruf

In memoriam

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. André Aeschlimann (1929–2016)

André Aeschlimann 1995. © SNF/Markus Senn

Am 4. März 2016 ist Prof. Dr. André Aeschlimann, ehemaliger Leiter des Instituts für Zoologie der Universität Neuchâtel, nach längerer Krankheit in seinem 87. Altersjahr gestorben. Da er als Zoologe und Parasitologe durch seine Forschungsgebiete mit der Veterinärmedizin eng verbunden war, widmen wir ihm diesen Nachruf im SAT1.

A. Aeschlimann, geboren am 26. September 1929 in Genf, studierte von 1949 bis 1958 an der Universität Basel Zoologie (mit Botanik, Chemie, Bakteriologie, Hygiene) sowie Meeresbiologie und Helminthologie. Danach führte ihn sein akademischer Weg an das Schweizerische Tropeninstitut (STI) in Basel, das damals unter der Leitung seines Gründers – Prof. Dr. Rudolf Geigy – stand, in dem er einen hervorragenden Lehrer und grosszügigen Förderer fand. Während seiner Spezialausbildung in allgemeiner und tropischer Parasitologie befasste sich A. Aeschlimann zunächst mit der Übertragung von Erregern durch Arthropoden, einem wichtigen Thema, das in jüngster Zeit durch die Folgen des Klimawandels auch in Europa eine besondere Aktualität erlangt hat. Sein Interesse für dieses Forschungsgebiet kam bereits in seiner naturwissenschaftlichen Doktorarbeit (Ph. D.) „Embryology of Ornithodoros moubata and transovarial transmission of Borrelia duttoni“ zum Ausdruck. Nach Abschluss seiner Dissertation 1958 boten sich für ihn Möglichkeiten zu Forschungsaufenthalten am Institut Pasteur in Paris und am damaligen Forschungslabor des STI in Ifakara/Tanzania. An beiden Orten befasste er sich mit afrikanischen Zecken. Eine besondere wissenschaftliche und persönliche Bindung an Afrika entwickelte sich, als er von 1959 bis 1962 das „Centre Suisse de Recherches Scientifiques“ in Adiopodoumé/Côte d’Ivoire in Westafrika als Direktor leitete. Nach der Rückkehr aus Afrika war A. Aeschlimann von 1962 bis 1970 Leiter des Labors für Acaralogie am STI. In diese Periode fielen ein viermonatiger Forschungsaufenthalt am Rocky Mountain Laboratory in Hamilton, Montana, USA (1963), die Teilnahme am einem sechsmonatigen Tropenkurs am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg (1965) und 1966 ein Gastaufenthalt an der damaligen Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaft in Prag. Ausgerüstet mit reichem Spezialwissen habilitierte er sich 1966 an der Universität Basel im Fachbereich Zoologie. 1970 erhielt er einen ehrenvollen Ruf als Ordinarius auf den Lehrstuhl für Zoologie der Universität Fribourg, wo er nur kurze Zeit tätig war, da er 1972 als Nachfolger von Prof. Dr. J. G. Baer zum Ordinarius für Zoologie und Parasitologie und Leiter des Institutes für Zoologie an der Universität Neuchâtel gewählt wurde. Dieses Amt übte er bis zu seiner Emeritierung 1994 aus.

Die Forschung von A. Aeschlimann war schwerpunktmässig auf Zecken ausgerichtet. Dabei bearbeitete er mit seinem Team taxonomisch- systematische, biologische, ökologische und epidemiologische Aspekte von Zecken und vor allem deren Rolle als Vektoren von Viren, Babesien, Rickettisien, Borrelien und einigen anderen Erregern. So führte er mit seinem Team – gemeinsam mit Virologen – grundlegende Arbeiten zur Verbreitung der Frühsommer- Meningoencephalitis (FSME) in der Schweiz durch sowie zur Vektorkompetenz einheimischer Zecken für das FSME-Virus. Besonders bedeutsam und folgenreich war die gemeinsam mit W. Burgdorfer, A. G. Barbour, S. F. Hayes und O. Péter 1983 publizierte Entdeckung2, dass Populationen von Ixodes ricinus, der häufigsten Zeckenart in der Schweiz und in anderen europäischen Ländern, mit Borrelien infiziert sind, die zuvor in den USA von W. Burgdorfer als Erreger der sog. Lyme-Krankheit (Lyme-Borreliose) des Menschen identifiziert worden waren. Damit war erwiesen, dass diese Infektionskrankheit auch in Europa vorkommt. Zahlreiche, durch seine Arbeitsgruppe ausgeführte Folgeuntersuchungen trugen wesentlich zur Aufklärung der komplexen Ätiologie und Epidemiologie der Lyme-Borreliose bei. In der nördlichen Hemisphäre sind Borrelien die häufigsten, durch Zecken übertagbaren Infektionserreger mit Prävalenzen um 5 bis 30% (lokal bis 50%) in Ixodes ricinus- Populationen.

Im Institut in Neuchâtel etablierte A. Aeschlimann diverse Arbeitsgruppen (unter der Leitung von L. Gern, P.-A. Diehl, M. Brossard, P. Guerin), die sich u. a. mit (neuro)physiologischen, parasitologischen, epidemiologischen, immunologischen und diagnostischen Fragen von Zecken und Zecken-übertragenen Erregern befassten. Viele andere parasitologische Themen, die unter seiner Leitung bearbeitet wurden, können an dieser Stelle nicht erwähnt werden. Hier sei auf die umfangreiche Publikationsliste von A. Aeschlimann und die Instituts- Dokumentation verwiesen.

Die Lehrtätigkeit von A. Aeschlimann war durch sein vitales Engagement, die eigene Begeisterung für die Wissenschaft und ein ausserordentliches rhetorisches Talent gekennzeichnet. Neben den Lehrveranstaltungen für das Grundstudium bot das Institut während vieler Jahre parasitologische Spezialkurse an, die grossen Zuspruch fanden. Zu diesen Kursen wurden zahlreiche Dozenten aus dem In- und Ausland eingeladen und im schönen Umfeld von Neuchâtel stets sehr kollegial und gastfreundlich empfangen. Der Enthusiasmus für Zecken und die durch Zecken übertragenen Erreger sowie die Fähigkeit, das wissenschaftliche Interesse und die Motivation dafür zu vermitteln, waren auch ausschlaggebend dafür, dass A. Aeschlimann einer der wichtigsten Mentoren und persönlicher Vertrauter für einen der beiden Autoren (Kurt Pfister) geworden ist. Sein spezielles Interesse für die Veterinärparasitologie manifestierte sich u. a. auch dadurch, dass sich K. P. an der naturwissenschaftlichen Fakultät der Uni Neuchâtel habilitieren konnte und danach als Prof. associé während Jahrzehnten die Lehrtätigkeit des Instituts mitgestalten durfte.

Ein weiteres Charakteristikum der Tätigkeit von A. Aeschlimann war sein grosser Einsatz in der akademischen Selbstverwaltung und der Wissenschaftsförderung. Hier kann nur eine Auswahl seiner vielen Funktionen erwähnt werden: Dekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Neuchâtel (1981–1983), Vize-Rektor dieser Universität (1983–1987), Präsident der wissenschaftlichen Kommission des Schweizer Nationalpraks (1976–1978), Mitglied des Nationalen Forschungsrates – Abteilung „Biologie und Medizin“ – des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (NF) (1972–1983), Präsident des Nationalen Forschungsrates des NF (1988–1996), Zentralpräsident der Schweizerischen Akademien der Wissenschaften (1983–1988), Präsident der Kommission für das „Centre Suisse de Recherches Scientifiques en Côte d’ Ivoire“ (1975–1984), Mitglied der IFS (International Foundation for Science – Stipendien für die Drittwelt, Stockholm) (1990–1996), Präsident der World Federation of Parasitologists (1986–1990), Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Zoologie (1971 und 1973) und Mitglied des Präsidiums der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (1993–1999). Als Präsident des NF hat er sich besonders für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, den Ausbau des Stipendienwesens, die Weiterentwicklung internationaler Kooperationen und die Verbesserungen der Beziehungen zwischen Wissenschaft und Politik eingesetzt. Durch das langjährige Engagement der Schweiz im „Centre Suisse“ in der Côte d’ Ivoire ist es gelungen, einheimische Nachwuchskräfte zu fördern.

Die Leistungen von A. Aeschlimann fanden durch zahlreiche Ehrungen Anerkennung, wie die Ehrendoktorate der Universität Rennes (1985) und der Université de la Méditerranée (Aix Marseille II) (1995), die Wahl in das Institut jurassien des Lettres, des Sciences et des Arts (1982), in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, Sektion Veterinärmedizin (1987) sowie die Verleihung des Preises „Jules Thurmann“ der Sociéte jurassienne d’ Emulation und Ehrenmitgliedschaften in verschiedenen Fachgesellschaften. 2002 erhielt A. Aeschlimann den Preis „Emile Brumpt“ der Akademie des Médicine National am Pasteur-Institut Paris, und 2009 wurde er anlässlich des 100. Jubiläums der Universität Neuchâtel als Persönlichkeit geehrt, die in besonderer Weise zur Ausstrahlung der Universität beigetragen hat.

In seiner beruflichen Laufbahn wurde A. Aeschlimann seit der Zeit am Tropeninstitut in Basel in einer idealen Weise von seiner Frau Lily unterstützt, die mit ihm viele fachliche und ausserberufliche Interessen teilte, u. a. die Faszination für Afrika und für die afrikanische Kunst. Die freundschaftliche und weltoffene Atmosphäre, die Gäste am Institut in Neuchâtel und in der Familie Aeschlimann erlebt haben, wird stets in bester Erinnerung bleiben. Mit A. Aeschlimann verlieren wir eine grosse Persönlichkeit, einen enthusiastischen Forscher und Lehrer, der auch die Veterinärmedizin durch seine Arbeiten und seinen Einsatz bereichert hat.

Wir gedenken seiner mit Respekt und Dankbarkeit.

Johannes Eckert, Zürich
Kurt Pfister, Bern

1Siehe auch:. ter Meulen, V. und Eckert,J. (2010): Glückwunschschreiben anlässlich des 80. Geburtstages von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. A. Aeschlimann. In: ter Meulen, V. (Hrsg.): Jahrbuch 2009. Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina. Leopoldina Reihe 3, 55: 235–238. ISBN 978-3-8047-2864-6.
2Acta Tropica 40: 70–83, 1983