Fokus
Das legale Medikament gegen FIP ist da
Der Basler Apotheker Cédric Wernli stellt nach Formula magistralis ein Medikament gegen die bisher tödlich verlaufende Katzenkrankheit FIP her. Tierärztinnen und Tierärzte können ihrer Kundschaft ein Rezept dafür ausstellen.
Die Feline Infektiöse Peritonitis (FIP) ist eine der häufigsten infektiösen Todesursachen bei jungen Katzen. Sie entsteht durch eine Mutation des felinen Coronavirus und führte bis vor kurzem zu einer tödlich verlaufenden systemischen Erkrankung, die über Wochen bis Monate fortschreitet.
Mit der aktiven Substanz GS-441524 fand das US-amerikanische Biotechnologie-Unternehmen Gilead ein hochwirksames Medikament gegen FIP. Doch der Patenthalter strebt derzeit keine Zulassung von GS-441524 als Tierarzneimittel an; auch gibt er das Medikament nicht zur Nachahmung frei. Verzweifelte Tierhaltende beschafften sich den Wirkstoff gegen FIP auf dem Schwarzmarkt: Sie bestellten ihn bei Labors in China und Osteuropa und behandelten ihre Tiere kurzerhand selber.
Seit zweieinhalb Jahren kann in der Schweiz die Vetsuisse-Fakultät den Wirkstoff im Rahmen von Studien nutzen (siehe auch Kasten). Dazu war eine Tierversuchsbewilligung nötig. Trotzdem ging der Schwarzmarkthandel weiter.
Der rettende Apotheker
Doch nun gibt es in der Schweiz eine legale Lösung: Der Basler Apotheker Cédric Wernli stellt nach Formula magistralis ein Medikament gegen FIP her. Seine Lehenmatt-Apotheke ist seit jeher auf Magistralrezepturen spezialisiert. Als er vor gut einem Jahr durch eine Medienmitteilung der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte (GST) erfuhr, dass auch bei Tierarzneimitteln Engpässe bestehen, meldete er sich bei der GST – und diese fragte ihn an, ob er nicht eine Magistralrezeptur mit GS-441524 herstellen könnte. Zuvor hatten andere angefragte Apotheker abgesagt. Doch Cédric Wernli zögerte nicht. «Solche Herausforderungen sind spannend», sagt er.
Wenn ein Medikament gegen eine lebensbedrohliche Krankheit wirkt und kein gleichwertiges alternatives Arzneimittel erhältlich ist, darf ausnahmsweise ein Wirkstoff verwendet werden, der noch nicht zugelassen ist. Dies haben Vertreterinnen und Vertreter der Kantonsapothekervereinigung, der Apotheken, von Swissmedic, des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) sowie der GST im April 2024 an einem runden Tisch auch für GS-441524 anerkannt. Und so war klar, dass Cédric Wernli mit diesem Wirkstoff eine Magistralrezeptur herstellen darf.
Die Wirkstoffquelle
«Die Formulierung per se war eigentlich nicht so schwierig», sagt Wernli im Rückblick. Eine Herausforderung sei jedoch die Suche nach der Wirkstoffquelle gewesen: «Wo erhalte ich ihn in einer guten Qualität?» Der Apotheker fand einen vertrauenswürdigen Hersteller in den Niederlanden mit zertifizierter Qualität. Cédric Wernli musste sich aber auch mit für ihn neuen Fragen auseinandersetzen: Wie viel Flüssigkeit nimmt eine Katze auf, bevor sie wieder alles ausspuckt? Welchen Geschmack mag sie? Welche Handhabung ist am praktischsten – beispielsweise eine Spritze? Welche Dosierung ist nötig?
Anfang Juni nun hat Wernli in den leerstehenden Räumlichkeiten der Graeub AG in Bern die drei ersten Chargen hergestellt – notabene mit dem Aroma «chicken pot pie». Die Chargen wurden bei drei unterschiedlichen Temperaturen gelagert, um ihre Stabilität bei verschiedenen Temperaturen, aber auch bei Lichteinfluss zu prüfen. «Wir haben eine gute Stabilität», stellt Wernli zufrieden fest.
Die Lehenmatt-Apotheke AG und die Dr. E. Graeub AG sind eine Partnerschaft eingegangen, um das Projekt der Magistralrezeptur gegen FIP voranzubringen. «Wir möchten einen Beitrag leisten zur Verbesserung der Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln in der Schweiz», sagt Graeub-Geschäftsleiter Matthias Knöri. «Dies war nun ein erster Schritt, wir werden weiter aktiv sein.»
Lagerung wird toleriert
Tierhaltende können das Medikament nun auf Rezept bei der Lehenmatt-Apotheke beziehen. Tierärztinnen und Tierärzte können es ausschliesslich für die Anwendung in der Praxis bestellen. Im Merkblatt «Formula-Präparate in der Tierarztpraxis» hält das BLV fest: «In Fällen, wo kein zugelassenes Arzneimittel als Alternative zur Verfügung steht und in Abweichung zur Vorgabe, dass die Abgabe von Formula-Präparaten auf die eigene Kundschaft der Apotheke beschränkt ist, toleriert der Veterinärdienst, dass Tierarztpraxen mit einer Detailhandelsbewilligung solche Präparate in kleinen Mengen für die Behandlung der eigenen Patienten lagern.»
Das Wissen teilen
Die Vetsuisse-Fakultät nutzt den Wirkstoff GS-441524 im Rahmen von Studien. Das Universitäre Tierspital Zürich bietet seit Anfang 2023 die orale Therapie vor Ort an: nach einer individuellen Diagnosestellung bleiben die Katzen mindestens drei Tage am Tierspital und werden täglich oral mit dem Studienmedikament behandelt, bevor die Therapie zu Hause mit Tabletten weitergeführt wird. Ziel ist die Überprüfung der Wirksamkeit der oralen Therapie mit GS-441524 sowie die Erfassung potenzieller Nebenwirkungen und prognostischer Faktoren. Die Kleintierklinik Bern hat im Januar 2024 das FIP-Projekt Bern gestartet, dies in Zusammenarbeit mit dem Institut für Virologie und Immunologie (IVI) sowie sechs privaten Kliniken. Nebst der Therapie der Katzen hat diese Studie zum Ziel, FIP-auslösende Coronavirusstämme zu charakterisieren.
Die Vetsuisse-Fakultät hat so in den letzten Jahren ein grosses Wissen rund um FIP aufgebaut, während in Tierarztpraxen die Krankheit noch diagnostiziert, jedoch nicht behandelt wurde. Da nun mit dem Formula-magistralis-Präparat der Lehenmatt-Apotheke (siehe Haupttext) ein legales Medikament zur Verfügung steht, soll das Wissen der Universität jetzt in die Tierarztpraxen fliessen. So hat die Universität Leitlinien zur Diagnostik und Therapie verfasst. Zudem hat die Firma Graeub zusammen mit der Vetsuisse-Fakultät und der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte (GST) Webinare zum Thema organisiert. Die GST zeigte die rechtlichen Rahmenbedingungen auf. Auch wurde die Webseite vetpharma.ch vorgestellt, über welche das Medikament verschrieben werden kann.