Journal Schweiz Arch Tierheilkd  
Verlag GST  
Heft Band 167, Heft 5,
Mai 2025
 
ISSN (print) 0036-7281  
ISSN (online) 1664-2848  
online seit 02 Mai 2025  
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TPA: «Sein oder Nichtsein»

Alberto Crescentini, SUPSI DFA/ASP, und Giuditta Mainardi Crohas, CPS-Locarno

Eine Studie aus dem Tessin zeigt, warum Tiermedizinische Praxisassisten­tinnen und -assistenten ihren Beruf gewählt haben, was sie bei der Arbeit motiviert, und was sie im Beruf hält.

Im akademischen Jahr 2023/2024 wurde der Abteilung für Berufsbildung des Kantons Tessin eine Studie vorgeschlagen, mit dem Ziel, die Ursachen für den Berufsausstieg von Tiermedizinische Praxisassistentinnen und -assistenten (TPA) zu erforschen. Die Studie entstand aus Überlegungen zum Arbeitskontext im Tierarztberuf. Die Literatur zeigt, dass der Beruf der Tierärztin und des Tierarztes reich an stressigen Bedingungen ist (u. a. Baltram & Baldwin, 2010). Die Stressfaktoren in Tierpflegeberufen sind vielfältig: TPA und Tierärzteschaft sind Tierleid und Euthanasie ausgesetzt, haben eine hohe Arbeitsbelastung und leiden unter Zeitnot, sie erleben Konflikte mit der Kundschaft, ihre Arbeit ist körperlich anstrengend, die finanzielle Anerkennung fehlt oft, zudem birgt die Arbeit potenzielle physische und biologische Risiken, und oftmals mangelt es am Arbeitsplatz an emotionaler Unterstützung. Die Literatur zu TPA ist jedoch begrenzt, obwohl festgestellt wurde, dass es spezifische Stressfaktoren für diesen Beruf (Herren, 2023) sowie Faktoren gibt, die der gesamten Tierärzteschaft gemein sind. In der Literatur haben wir keine spezifischen Studien zur Berufsaufgabe von TPA identifiziert. Dazu ist zu bedenken, dass es sowohl für die Gesellschaft als auch für die Einzelnen mit erheblichen Kosten verbunden ist, wenn jemand seine Stelle aufgibt: Die Arbeit muss neu organisiert werden, neue Angestellte müssen gesucht und eingearbeitet werden. Studien zu Stellenabbruch und Personalfluktuation (Griffeth et al., 2000) zeigen, dass die Berufswahl mit Motivationsfaktoren zusammenhängt, die ihren Ursprung in materiellen und immateriellen Gründen haben. Motivation ist in der Tat ein dynamisches Konzept, das als Reaktion auf persönliche, berufliche und kontextuelle Veränderungen im Laufe der Zeit fluktuieren kann. Die Selbstbestimmungstheorie gehört zu den am häufigsten verwendeten Theorien zum Verständnis von Arbeitsphänomenen (Deci & Ryan, 1985 und 2000) und war auch die Grundlage für die Entwicklung der in dieser Studie verwendeten multidimensionalen Skala der Arbeitsmotivation, MWMS (Gagné et al., 2015).

Die Studie wurde in drei Phasen durchgeführt. In der ersten Phase wurden Dokumente und Presseartikel gesammelt und analysiert, um das Thema zu kontextualisieren, die zu untersuchenden Bereiche festzulegen und die nationale Bedeutung des ermittelten Themas hervorzuheben. In der zweiten Phase wurden Interviews mit Ausbildenden und Lehrpersonen der TPA, mit einigen Tierärztinnen und Tierärzten sowie mit Lehrlingsinspektoren geführt. In den Gesprächen ging es um die Wahl des Studiengangs, die Quellen der Zufriedenheit/Motivation und die Gründe für den Abbruch des Studiums. In der dritten Phase wurde ein Online-Fragebogen für TPA erstellt, die ihren Abschluss im Tessin gemacht haben. Die Themen waren: Motivation für den Beruf, Gründe für die Berufswahl, Gründe für den Verbleib im Beruf, Arbeitsbedingungen, persönliche Daten und die MWMS-Motivationsskala. Von den kontaktierten Personen stimmten 56 dem Erhalt eines Online-Fragebogens zu, und 45 füllten den Fragebogen aus. Fast alle, 43, gaben an, weiblich zu sein, 2 Probanden antworteten nicht und 1 Person notierte, dass sie dies nicht angeben wolle. Das Alter variierte zwischen 21 und 64 Jahren, mit einem Durchschnitt von 33,6 Jahren. Von den 45 Teilnehmern waren 12 verheiratet, 16 lebten mit einem Partner oder einer Partnerin zusammen und 15 waren ledig. Die Mehrheit, 67% oder 30 von 45, hat keine Kinder, 25% oder 11 von 45 haben ein Kind und nur eine Person hat zwei Kinder. Die Mehrheit, 89%, gibt an, keine Eltern zu haben, um die sie sich kümmern müssen. Derzeit arbeiten nur 26 Personen oder 58% in einer Tierarztpraxis, während 19 nicht arbeiten.

Die Berufswahl

Die Antworten zeigten, dass die beiden Hauptgründe für die Berufswahl die Liebe zu Tieren und die Beziehung zu ihnen sind; die anderen genannten Gründe scheinen von geringerer Bedeutung zu sein. Die Motive, im Beruf zu bleiben, hängen in erster Linie mit der Liebe zu Tieren und dem Wunsch zu helfen zusammen, aber es gibt auch eine Reihe anderer wichtiger Aspekte. Diese hängen mit den Arbeitsbedingungen zusammen, beispielsweise mit der Arbeitsorganisation in der Tierarztpraxis, den Aufgaben, der Qualität der Beziehungen zu Kolleginnen und Kollegen und Vorgesetzten, dem Einkommen und der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie die Arbeitszufriedenheit.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass folgende Aspekte die Arbeitszufriedenheit am stärksten beeinflussen und den grössten Einfluss auf den Entscheid haben, im Beruf zu bleiben: Die Möglichkeit, verschiedene Tätigkeiten auszuüben, insbesondere nicht nur Pflege- oder Hausarbeit zu verrichten; eine Beziehung zur Arbeitgeberin oder zum Arbeitgeber zu haben, in der Wertschätzung und Anerkennung der Arbeit vorhanden sind; die Möglichkeit, Beruf und Privatleben miteinander zu vereinbaren, insbesondere nach einem Mutterschaftsurlaub.

Warum den Beruf verlassen?

Die Hauptgründe für das Verlassen des Berufs lassen sich in vier Hauptkategorien einteilen: Schlechte Arbeitsbedingungen, Qualität der Beziehungen, Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben und Mangel an Beschäftigungsmöglichkeiten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Gründe, die Menschen dazu bewegen, den Beruf zu verlassen, die Folge einer pragmatischen Bewertung zu sein scheinen: Wenn die Aspekte, die normalerweise zum Verbleib im Beruf beitragen, nicht oder nur unzureichend erfüllt sind, begünstigt dies die Aufgabe des Berufs. Interessanterweise hat von den 26 Frauen, die derzeit arbeiten, nur eine ein Kind, während alle anderen Frauen, die Kinder haben, nicht mehr als TPA arbeiten. Dies deutet darauf hin, dass Mutterschaft schwer mit den derzeitigen Arbeitsbedingungen der TPA zu vereinbaren ist.

In Kürze

Die angegebenen Motivationen, in den Beruf einzutreten, dort zu bleiben und ihn zu verlassen, legen den Schwerpunkt auf unterschiedliche Themen. Dies entspricht der Theorie von Deci und Ryan (1985 et seq.), dass sich die Motivationsstruktur verändert, dies auch abhängig davon, wie sich die Lebensphasen und die Entscheidungen, vor denen das Individuum steht, verändern. Während der Berufseinstieg vor allem mit «ideellen» Motiven wie Tierliebe verbunden ist, wird der Verbleib im Beruf vor allem durch Beziehungsdimensionen erklärt, während für den Ausstieg materielle und pragmatische Gründe angegeben werden. Dabei darf nicht vergessen gehen, dass auch alle Personen mit Kindern den Beruf verlassen haben. Der Berufseinstieg scheint also mit immateriellen Dimensionen (Wünsche und Erwartungen) verbunden zu sein, während der Verbleib im Beruf durch die Erfüllung der Erwartungen und der ursprünglichen Wünsche charakterisiert zu sein scheint.

Vorbeugen statt heilen

Um dem Berufsabbruch vorzubeugen, muss den verschiedenen Momenten des Berufslebens mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Dabei sind für die drei in der Studie analysierten Zeitpunkte verschiedene Interventionen denkbar. In der Phase des Berufseinstiegs könnte sowohl bei der Einstellung als auch während der Ausbildung darauf hingearbeitet werden, dass die Gründe für die Berufswahl stärker ins Bewusstsein gerückt werden, damit sie mit den tatsächlichen Merkmalen des Berufs übereinstimmen. Um einem Berufsabbruch vorzubeugen, könnte die beste Strategie darin bestehen, Energie in die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Stärkung der persönlichen Motivation zu investieren. In dieser Phase sind materielle und pragmatische Fragen von entscheidender Bedeutung. Die Einführung konkreter Vereinbarkeitsmassnahmen, insbesondere das Angebot von Teilzeitarbeit, ist entscheidend dafür, dass die TPA nach dem Mutterschaftsurlaub an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Die Beziehungsdimension erscheint ebenfalls als zentrales Element. Hier könnte ein zweigleisiges Vorgehen in Betracht gezogen werden: Bei den TPA sollten die emotionalen und zwischenmenschlichen Kompetenzen während der Ausbildung gestärkt werden; bei den Arbeitgebenden sollte das Bewusstsein für das Beziehungsmanagement innerhalb des Unternehmens gefördert werden, um den Wert der TPA zu steigern. Die Arbeitgebenden sollten ihre Aufmerksamkeit darauf richten, die Aufgaben der TPA zu variieren. Zudem sollten sie eine Sensibilität für die Geschlechterdimension entwickeln.

Abschliessend möchten wir betonen, dass die Überlegungen, die auf den Informationen aus den Fragebögen basieren, sich nur auf das Tessin beziehen. Eine Betrachtung auf nationaler Ebene wäre einerseits sinnvoll, um mögliche regionale Unterschiede in den betroffenen Arbeitsmärkten zu berücksichtigen, und andererseits könnte es relevant sein, die Realität neu entstehender Arbeitsorganisationen zu betrachten, insbesondere einen Übergang von familienähnlichen Tierarztpraxen zu tierärztlichen Zentren mit mehreren angeschlossenen Tierärztinnen und Tierärzten.

TPA und Tierärzteschaft arbeiten Hand in Hand. (© GST)

Literaturnachweis

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