Vet-Info
«Die Impfung ist wichtig»
Der Ausbruch der Blauzungenkrankheit letzten Sommer hat der Diagnostik-Abteilung des Instituts für Virologie und Immunologie viel Arbeit beschert: Sie testet Proben auf die für Wiederkäuer verheerende Viruskrankheit.
Die Blauzungenkrankheit grassiert in der Schweiz. Das merkt auch das Institut für Virologie und Immunologie (IVI) in Mittelhäusern. Das Team rund um Jakub Kubacki machte täglich zeitweise Hunderte von Tests. Vor allem im September erhielt das IVI täglich 300 Proben zum Testen: Wenn Tierärztinnen und Tierärzte bei einem Wiederkäuer Symptome von Blauzungenkrankheit – oder Bluetongue (BTV) – erkennen, schicken sie Blutproben ein, oder bei einem Todesfall die Milz. Neun Labore in der Schweiz untersuchen diese, darunter das IVI. Das Institut ist zudem Referenzlabor; das bedeutet, dass es jede Positivprobe aus den acht anderen Laboren bestätigt.
Eine schwere Krankheit
Das Virus der Blauzungenkrankheit wird durch ein bis drei Millimeter kleine Insekten, sogenannte Gnitzen aus der Gattung Culicoides durch einem Biss von einem infizierten Tier auf ein anderes übertragen. Für Menschen ist die Krankheit nicht gefährlich. Wiederkäuer und Kameliden jedoch leiden stark: Sie haben Ödeme im Kopfbereich und an den Extremitäten. Oft haben sie einen schaumigen Speichelfluss, eitrigen Nasenausfluss und respiratorische Symptome. Die Milchleistung nimmt deutlich ab. Die Erfahrungen haben nun gezeigt, dass viele infizierte Kühe und Schafe Aborte haben. Auch haben Kälber und Lämmer Hirnmissbildungen.
Die Blauzungenkrankheit wird von mindestens 36 Serotypen verursacht, die antigenetisch und taxonomisch, als Blauzungenvirus klassifiziert werden. Jeder Serotyp ist jedoch einzigartig und hat eine unterschiedliche geografische Verbreitung. 24 Serotypen des Virus der Blauzungenkrankheit sind meldepflichtig. «Wenn wir eine Blutprobe erhalten, testen wir zuerst, ob sie positiv auf BTV ist», sagt Jakub Kubacki. Wenn ja, dann gehen die Tests weiter, bis klar ist, welcher Serotyp vorliegt. Zehn Tage nach der Infektion sind Antikörper im Blut der Tiere nachweisbar. Die Forschenden können aber nicht unterscheiden, ob die Antikörper von der Impfung oder von einer Infektion stammen, oder wann die Infektion stattgefunden hat.
Grosse Verluste
«Zahlen aus den Niederlanden zeigen, dass dort in den Jahren 2023 und 2024 rund zwanzig Prozent der Schafe an BTV verstorben sind», sagt Jakub Kubacki. «Danach hatten sie dank der Impfung deutlich weniger Verluste.» Für ihn ist daher klar: «Die Impfung ist wichtig.»
Derzeit weisen die Labore in der Schweiz die Serotypen 3 und 8 nach. «Im Osten Österreichs wurde nun auch BTV-4 festgestellt», sagt Jakub Kubacki. «Das ist bereits recht nahe bei uns.» Ob ein neuer Serotyp bis in die Schweiz eingeschleppt wird, hängt auch von der Verbringung empfängliche sowie positiver Tier und der Verbreitung der Gnitzen durch den Wind ab.
Die Impfungen
In der Schweiz stand ursprünglich kein Impfstoff gegen BTV-3 zur Verfügung, weil weder in der Schweiz noch in der EU ein Impfstoff gegen BTV-3 zugelassen war. Für den Import eines nicht zugelassenen Impfstoffs besteht keine rechtliche Grundlage. Doch haben sich die zuständigen Behörden darauf geeinigt, dass unter Berufung auf das Tierseuchengesetz die Anwendung eines solchen Impfstoffes ermöglicht werden kann. Damit war eine Impfung der Tiere ab Ende 2024 möglich. Die Beschaffung des Impfstoffes erfolgt durch die Vertriebsfirmen. Tierärztinnen und Tierärzte können diesen direkt bei den Schweizer Vertriebsfirmen beziehen und müssen ihn nicht selbst importieren. Bei BTV-3 ist gewährleistet, dass alle Tierhaltenden, die impfen möchten, dies tun können. Die Impfstoffe gegen BTV-4 und BTV-8 sind jedoch in ganz Europa knapp. Dennoch konnten bereits 250 000 Impfdosen importiert werden, was die Grundimmunisierung von 125 000 Tieren ermöglicht. Weitere 500 000 Dosen werden voraussichtlich im April in der Schweiz eintreffen.
Während in der Deutschschweiz vor allem BTV-3 sehr präsent ist, ist es in der Westschweiz, mit Ausnahme des Kantons Jura, und im Tessin vor allem der Serotyp 8.
Die Schaf- und Rinderbranche, die Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte (GST), die Tiergesundheitsdienste Rindergesundheit Schweiz (RGS) und Beratungs- und Gesundheitsdienst für Kleinwiederkäuer (BGK), das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) und die Kantonstierärztinnen und -tierärzte empfehlen dringend eine Impfung der für die Krankheit empfänglichen Tiere. Die Impfung ist die einzige Massnahme, mit der die Tiere vor einer schweren Erkrankung geschützt und massive, langfristige wirtschaftliche Schäden vermieden werden können. Dabei ist bei der Blauzungenkrankheit im zweiten Jahr des Auftretens mit noch schwereren klinischen Symptomen zu rechnen. Mit der Impfung können Tiere und Tierhaltende gelassen in den Frühling starten. Der Bund beteiligt sich an den Kosten für die Impfstoffe gegen die Blauzungenkrankheit.