Journal Schweiz Arch Tierheilkd  
Verlag GST  
Heft Band 166, Heft 10,
Oktober 2024
 
ISSN (print) 0036-7281  
ISSN (online) 1664-2848  
online seit 01 Oktober 2024  
SAT archive search
Extended search

Verbandsnachrichten

Der schreibende Tierarzt

Nicole Jegerlehner

Johannes Kaufmann erlebt die Tierarztpraxis als Theaterbühne und schafft es, auch Notfallanrufen morgens um drei Uhr eine lustige Seite abzugewinnen. In einem Buch hat er 24 Geschichten aus der Sprechstunde festgehalten.

Mal ist es zum Schmunzeln, mal stehen einem die Tränen zuvorderst. Das Buch «Herr Doktor, mis Büsi…» löst ein, was der Untertitel verspricht: «Heiteres und Berührendes aus der Tierarztpraxis». Seit Jahren schreibt Johannes Kaufmann Geschichten aus dem Praxisalltag auf; nun ist daraus ein knapp hundertseitiges Büchlein mit Geschichten entstanden, die jeweils zwei bis fünf Seiten umfassen.

Einstieg mit 54 Jahren

Nach dem Studium war Johannes Kaufmann drei Jahre als Assistent in einer Gross- und Kleintierpraxis tätig; danach arbeitete er für die Universität Bern in der Feldforschung und betrieb im westafrikanischen Gambia eine Buschklinik. Später war er Oberassistent-Lektor in Parasitologie am Tierspital Bern, bevor er von 1998 bis 2002 als Wissenschaftsattaché an der Schweizer Botschaft in Washington arbeitete und danach die Bundesstelle für Innovationsförderung leitete. Doch es zog ihn zurück in seinen angestammten Beruf: Er besuchte nochmals Kurse an der Vetsuisse-­Fakultät und eröffnete im Jahr 2012 als 54-Jähriger seine eigene Tierarztpraxis. «Vielleicht macht ja dieser Werdegang aus, dass ich nicht abgestumpft bin, sondern die Erlebnisse in der Praxis mit einer gewissen Distanz anschauen kann.» So könne er auch Anrufe mitten in der Nacht von der heiteren Seite betrachten.

Beispielsweise wenn um drei Uhr morgens das Telefon klingelt und eine Frau sagt: «Herr Doktor, mein Büsi schreit wie ein Baby.» Und sie sich fragt, ob das arme Tier nun sterben müsse. Nein, muss sie nicht: Die Katze ist nur rollig. Die Anruferin, beruhigt, dass es nichts Schlimmes ist, fragt noch: «Gibt es dieses Phänomen auch beim Menschen?»

Johannes Kaufmann sieht die Tierarztpraxis als Theaterbühne: «Der Untersuchungstisch ist die Bühne, der Tierarzt, die Tierhaltenden und das Tier sind die Akteure.» Das Buch richtet sich an alle: Tierhaltende erhalten Tipps zum Umgang mit Tieren, junge Tierärztinnen und Tierärzte erfahren, wie sie mit einem ruhigen Verhalten auch stressige und aufgeladene Situationen entspannen können. Wichtig sind dem 66-Jährigen auch die berührenden Geschichten, in denen es um das Abschiednehmen geht. «Euthanasieren bedeutet nicht, Tiere zu töten – sondern es ist eine Chance, ihnen Schmerz zu ersparen.»

Zweite Auflage

«Ich habe lange gedacht, dass mein Deutsch nicht gut genug ist, um meine Texte zu veröffentlichen», sagt Johannes Kaufmann, der seine Praxis verkauft hat und heute noch an einigen Tagen die Woche arbeitet. Doch habe er gemerkt, dass junge Autorinnen und Autoren «so schreiben, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist». Das habe ihm Mut gegeben, seine Geschichten zu veröffentlichen. Und offenbar lag er damit richtig: Das Echo auf das Buch ist enorm. Es ist Mitte August in einer Auflage von 1500 Exemplaren erschienen – und bereits ist die zweite Auflage gedruckt worden, diesmal mit 800 Exemplaren. Der Autor erhält laufend Anfragen für Lesungen, und die Menschen, die sich in den Geschichten wiedererkennen, freuen sich. Aussenstehende jedoch wissen nicht, um wen es sich handelt, denn alle Namen sind geändert.

Johannes Kaufmann denkt bereits an ein zweites Buch. Er schreibt weiterhin Geschichten aus dem Alltag des Tierarztes auf – und hat einen Roman begonnen. «Aber da bin ich noch vorsichtig, ich weiss noch nicht, was daraus wird.»

Johannes Kaufmann. (© zvg)

«Herr Doktor, mis Büsi…»
von Johannes Kaufmann
96 Seiten,
Knapp Verlag,
CHF 28.–,
ISBN 978-3-907334-27-0

 
TYPO3 Agentur