Journal Schweiz Arch Tierheilkd  
Verlag GST  
Heft Band 166, Heft 7,
Juli 2024
 
ISSN (print) 0036-7281  
ISSN (online) 1664-2848  
online seit 02 Juli 2024  
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Wenn die Hybridkatze die Nachbarschaft terrorisiert

Nicole Jegerlehner

In der Schweiz dürfen Hybridkatzen nicht gezüchtet werden. Ihre importierten Nachfahren sind aber beliebt – und oft aggressiv gegenüber Hauskatzen.

Sie sind schön. Sie sind exotisch. Und auf Online-Plattformen sind sie derzeit der Renner: Angebote für Hybridkatzen finden sich dort zuhauf. Junge, ausgewachsene Tiere werden für wenig Geld angeboten. Der Schweizer Tierschutz STS erklärt dies damit, dass viele Züchterinnen und Züchter von Hybridkatzen diese als exklusive Hauskatzen in Wildkatzenoptik anpreisen, die sehr umgänglich mit Menschen und Tieren seien und in der Wohnung gehalten werden könnten. Werde das Kätzchen dann grösser, merkten die Halterinnen und Halter, dass der Umgang mit den Hybridkatzen doch nicht so einfach sei und dass die Tiere viel Beschäftigung und Bewegung benötigten. «Dann verkaufen sie das Tier wieder», sagt Arlette Niederer. Die Zoologin arbeitet beim STS bei der Fachstelle Heimtiere.

Knatsch im Quartier

Andere liessen die Tiere nach draussen – und dort komme es häufig zu Problemen in der Nachbarschaft. Hybridkatzen griffen Hauskatzen oft ohne vorherige Warnung an und bissen massiv zu. Die kleinere Hauskatze werde dabei oftmals schwer verletzt; einige trauten sich danach kaum noch ins Freie. «Immer wieder wenden sich Halterinnen und Halter von Hauskatzen deswegen verzweifelt an uns», sagt Arlette Niederer. «Es ist frustrierend, sie zu beraten, denn es gibt keine rechtliche Handhabe.» Ein Halter habe von Tierarztkosten über 4000 Franken erzählt, weil seine Katze bereits mehrmals von der Hybridkatze im Quartier verletzt worden sei.

Chantal Ritter, Kantonstierärztin in Solothurn und Mitglied des Vorstands der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte (GST), bestätigt, dass eine Katze, die andere Katzen verletze, nicht unter die Tierschutzgesetzgebung fällt. «Der Fall einer aggressiven Katze ist im Tierschutzgesetz nicht geregelt», sagt sie. «Wir Kantonstierärztinnen und Kantonstierärzte können in einem solchen Fall also nichts ausrichten.»

Ausmass ist nicht bekannt

Die Vereinigung der Schweizer Kantonstierärztinnen und Kantonstierärzte (VSKT) verfüge über keine Zahlen zu Konflikten mit Hybridkatzen, sagt Chantal Ritter. «Wir haben immer wieder Anrufe von verärgerten Haltern von Hauskatzen, aber das reale Ausmass der Problematik können wir nicht abschätzen.» Ein gangbarer Weg wäre, wenn Halterinnen und Halter von verletzten Hauskatzen auf dem zivilrechtlichen Weg erwirken könnten, dass aggressive Katzen – «und zwar sowohl Hybrid- als auch Hauskatzen» – keinen Schaden mehr anrichten dürften und also beispielsweise in einem Gehege gehalten oder umplatziert werden müssten. «Ich fände es gut, wenn Richterinnen und Richter bei einem effektiven und wiederholten Schaden entscheiden, dass ein Tierbesitzer Massnahmen zur Verhinderung weiterer Schäden ergreifen muss», sagt Chantal Ritter. Dies auch, weil es sowohl Hybridkatzen gebe, die überhaupt nicht aggressiv seien, als auch Hauskatzen, die ein Quartier terrorisierten. «Zudem ist oft nicht nachweisbar, wieviel Wildkatze noch in einer Hybridkatze steckt.» Eine solche zivilrechtliche Lösung gibt es heute jedoch nicht.

Die einheimische Wildkatze

Der STS befürchtet auch, dass Hybridkatzen sich mit der einheimischen Wildkatze paaren und so die ursprüngliche Form der einheimischen Wildkatze verloren gehen könnte. Lea Maronde von der Stiftung Kora, Raubtierökologie und Wildtiermanagement, ist allerdings noch kein solcher Fall bekannt. «Wahrscheinlich wäre es möglich, dass es zu einer Paarung kommen könnte», sagt sie. «Derzeit haben wir aber in den Wäldern auf Fotofallen noch sehr wenige Hybridkatzen gefunden.» Sie geht davon aus, dass diese eher in der Agglomeration und in Städten gehalten werden. Lea Maronde betont, dass es schwierig zu quantifizieren sei, wie viel Wildkatze noch in einem Tier stecke. «Die Marker in genetischen Tests sind nicht auf diese Katzen ausgerichtet, sondern für die Unterscheidung von Europäischen Wildkatzen und Hauskatzen entwickelt worden.» Um Fragen nach einem möglichen Einfluss von solchen Hybridkatzen auf die Europäische Wildkatze genauer beantworten zu können, müsse noch mehr Wissen zusammengetragen werden, so Maronde.

Die Forderungen des STS

Dies tut der STS: «Wir sind derzeit daran, Wissen über die Hybridkatzen zusammen zu tragen», sagt Arlette Niederer. So läuft derzeit eine Umfrage unter der Tierärzteschaft um zu erfahren, ob sie in der Praxis Probleme mit Hybridkatzen hat. Doch bereits sei klar, was die Mindestforderungen des STS seien, um dieser Problematik zu begegnen. Der Tierschutz stört sich daran, dass «einmal mehr», wie Niederer sagt, der problematische Teil ins Ausland verlagert werde: Dass in der Schweiz keine Hybridkatzen der ersten Generationen gezüchtet, jedoch importiert werden dürften, löse das Problem der Zwangspaarung nicht. Zudem sei momentan keine genetische Analyse des Wildkatzenanteils möglich. Darum fordert der STS, dass die gesetzlichen Vorschriften verschärft und angepasst werden. So müsse das Halten von Hybridkatzen bewilligungspflichtig werden, egal welcher Generation sie angehörten. Ausserdem soll ein obligatorischer Sachkundenachweis dafür sorgen, dass sich zukünftige Halterinnen und Halter über die hohen Haltungsansprüche vor dem Kauf der Hybridkatzen bewusst würden.

Eine Bengalkatze. (© iStock, Seregraff)

Die Hybridkatzen

In der Schweiz dürfen Hybridkatzen – eine Mischung aus einer Wild- und einer Hauskatze – nicht gezüchtet werden. Die erste Generation aus einer Paarung zwischen Wild- und Hauskatze wird Filialgeneration 1 – kurz F1 – genannt. Hybride mit einem hohen Wildtieranteil sind laut der schweizerischen Tierschutzverordnung den Wildtieren gleichgestellt: Für F1 und F2 gelten daher die gleichen Haltungsvorschriften wie für Wildtiere. Um sie zu halten, ist eine Bewilligung nötig. Falls keine Rückkreuzung mehr vorgenommen wurde, dürfen Hybridkatzen ab der dritten Generation wie Hauskatzen gehalten werden; sie sind auch nicht meldepflichtig. Derzeit sind 14 000 Bengalkatzen registriert. Doch ist nicht bekannt, wie viele Hybridkatzen es insgesamt in der Schweiz gibt.
Die Kreuzungen, die am Ursprung von Bengalkatzen, Savannahs und Caracat stehen, werden zwischen Tieren unterschiedlicher Gattungen vorgenommen, die sich unter natürlichen Umständen nicht paaren würden. Bei der Zwangspaarung kommt es vor, dass der Wildkater die Hauskatze verletzt; für sie ist der Deckakt laut Schweizer Tierschutz (STS) mit Angst, Stress und Schmerzen verbunden. Da die Tragzeit von Hauskatzen deutlich kürzer ist als bei Wildkatzen, kann es zu embryonalen Entwicklungsstörungen kommen. Weil die Hybridkatzenwelpen zudem deutlich grösser sind als Hauskatzenwelpen, kommt es bei der F1-Generation oft zu Fehl- und Totgeburten. Auch sind häufig Kaiserschnitte nötig.

 
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