Journal Schweiz Arch Tierheilkd  
Verlag GST  
Heft Band 166, Heft 3,
März 2024
 
ISSN (print) 0036-7281  
ISSN (online) 1664-2848  
online seit 27 Februar 2024  
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Fokus

«Reden ist viel, viel besser als Schreiben»

Nicole Jegerlehner

Kundinnen und Kunden können bei der GST eine Beschwerde gegen ihre Tierärztin oder ihren Tierarzt einlegen. Eine Ombudsperson vermittelt dann zwischen den Parteien. Ombudsmann Wolfgang Zenker erzählt von seiner Arbeit.

Die Katze ist zwar wieder gesund, doch die Rechnung scheint dem Tierbesitzer zu hoch. Der Hund wird trotz Behandlung nicht mehr gesund, und doch stellt die Tierärztin eine Rechnung, was der Hundehalter nicht verstehen kann. Das Kaninchen ist tot, und die Tierhalterin ist überzeugt, dass der Tierarzt nicht alles gemacht hat, um es zu retten. In solchen Fällen können sich Tierhaltende an die Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte (GST) wenden, wenn ihre Tierärztin oder ihr Tierarzt GST-Mitglied ist: Sie reichen eine Kundenbeschwerde ein, und eine Ombudsperson nimmt sich des Falls an.

Wolfgang Zenker präsidiert die Beschwerdekommission der Gesellschaft Zürcher Tierärztinnen und Tierärzte (GZT). Er erhält die Beschwerde von der Geschäftsstelle der GST und schaut dann mit den vier Kommissionsmitgliedern, wer den Fall übernimmt.

Meist eine Einigung

Kümmert sich Wolfgang Zenker um die Beschwerde, dann kontaktiert er die Betroffenen. «Das mache ich meist telefonisch, denn Reden ist viel, viel besser als Schreiben.» Er hält dann in einem Bericht möglichst objektiv das Problem fest und bespricht sich mit den anderen Kommissionsmitgliedern. Danach versucht er, eine Lösung zu finden – entweder, in dem sich die Tierhalterin und der Tierarzt gemeinsam mit ihm an einen Tisch setzen, oder in dem er versucht, den Tierarzt zu einem Entgegenkommen zu bewegen. «Es ist sehr selten, dass wir keine Einigung zwischen den beiden Parteien finden», sagt Wolfgang Zenker. Es kann aber vorkommen. Wenn sich die Parteien nicht einigen, kann Zenker nichts entscheiden oder verfügen: «Wir als Ombudsstelle haben nur eine Mediationsfunktion.»

Ist eine Lösung gefunden – oder ist klar, dass keine Einigung zustande kommt –, erstellt Wolfgang Zenker einen Abschlussbericht, den er den beiden Parteien und der GST abgibt. Ob sich die Tierhaltenden nach einem Scheitern der Verhandlungen an ein Gericht wenden, erfährt Zenker nicht: Für ihn ist der Fall mit dem Abschlussbericht beendet. Aber klar ist, dass unzufriedene Kundinnen und Kunden gegen die Tierärzteschaft vor Gericht gehen können. Dass sie zuerst das Beschwerdeverfahren bei der GST angestrebt haben, ändert daran nichts. Auch können die Tierhaltenden ihre Beschwerde jederzeit zurückziehen.

«Als Ombudsmann muss man mit Menschen umgehen und ihnen zuhören können», sagt Wolfgang Zenker. «Man muss darauf eingehen, was die Leute sagen, und es dann in einen sachlichen Kontext bringen.»

Die grosse Preisfrage

«Bei vielen Beschwerden geht es um Geld, nicht um fachliche Fragen», erzählt Wolfgang Zenker aus den 14 Jahren Erfahrung, die er als Ombudsmann hat. Wenn sich jemand beklagt, die Tierärztin oder der Tierarzt verrechne zu hohe Preise, dann muss Zenker die Beschwerdeführenden enttäuschen: «Es herrscht freie Marktwirtschaft, eine Tierarztpraxis kann verlangen, was sie will.» Auch wenn sich jemand beschwert, die Tierärztin habe sich zu wenig Zeit für Kundschaft und Patient genommen, kann Zenker nicht weiterhelfen. Ein vermuteter Behandlungsfehler ist aber klar eine Sache, um die sich die Ombudsstelle kümmert. «Wenn die Kommission einen Behandlungsfehler findet, gibt es häufig eine Lösung, wenn die Praxis einen Preisnachlass gewährt.»

Im Gegensatz zu Zenkers lebendigem Arbeitsalltag in der Exoten- und Kleintierpraxis Neuwiesen in Uster und in der Tierarztpraxis Knies Kinderzoo in Rapperswil ist die Aufgabe als Ombudsmann eine eher papierene, trockene Angelegenheit. «Es ist aber jeweils ein sehr befriedigendes Gefühl, wenn ich bei einer Beschwerde zu einer Lösung verhelfen kann.»

Wolfang Zenker ist in der Tierarztpraxis Knies Kinderzoo in Rapperswil tätig. (© zvg)

Zahlen und Fakten

Ist die Tierärztin oder der Tierarzt Mitglied einer Fachsektion der GST, übernehmen in der Deutschschweiz Hanspeter Weber und in der Romandie Jean-Luc Charbon den Fall. Ist der oder die Beschuldigte jedoch Mitglied einer Regionalsektion, dann kümmern sich die Ombudspersonen der Regionalsektionen um das Dossier. Im Prinzip hat jede Regionalsektion eine Ombudsperson, doch können auch mehrere Regional­sektionen eine gemeinsame Ombudsstelle bestimmen. Das Kundenbeschwerdeverfahren ist kostenlos. Es ist ein aussergerichtliches Schlichtungsverfahren, welches ohne ausdrücklichen Willen der Parteien keinerlei Rechtswirkungen erzeugt. Es steht der Kundin und dem Kunden frei, die Kundenbeschwerde jederzeit zurückzuziehen.
Gab es im Jahr 2007 schweizweit noch zehn Beschwerden, stieg die Anzahl im Jahr 2010 auf 22 und pendelt seither zwischen 20 und knapp 40 Beschwerden pro Jahr. Letztes Jahr gab es erstmals sogar mehr als 50 Beschwerden, nämlich 53. Bei mindestens 14 davon gab es keine Einigung; noch sind nicht alle Dossiers abgeschlossen. Ziel der Ombudsstellen ist es, eine Beschwerde innert sechs Monaten zu erledigen.
Die Beschwerdestelle der GST nimmt nur Beschwerden gegen GST-Mitglieder entgegen. Ist die Tierärztin oder der Tierarzt nicht GST-Mitglied, muss die Kundschaft die Beschwerde beim Kantonalen Veterinäramt einreichen.

 
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