Vet-Info
Der Tierarzneimittelmarkt benötigt eine flexible und effektive Regulierung
Fehlende Schweizer Zulassungen und Lieferunterbrüche sind die häufigsten Gründe für den Import von Tierarzneimitteln. Das zeigen Analysen der Importe durch Tierärztinnen und Tierärzte zwischen Juli 2022 und Juni 2023.
Die Einfuhr von Tierarzneimitteln durch Tierärztinnen und Tierärzte in die Schweiz unterliegt seit dem 1. Juli 2022 neuen Regelungen, die eine elektronische Meldung und in einigen Fällen eine Bewilligung durch das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) vorsehen. Das elektronische System ermöglicht erstmals einen detaillierteren Einblick in die Beweggründe für den Import, die importierten Mengen und die in der Schweiz fehlenden Arzneimittel.
Von Juli 2022 bis Juni 2023 wurden insgesamt 2359 Importe gemeldet. Diese umfassten 1172 gültige Meldungen und 793 gültige Bewilligungsanträge, während 394 Meldungen oder Bewilligungsanträge deaktiviert wurden. Deaktivierungen waren in den meisten Fällen auf fehlende oder falsche Angaben (356) zurückzuführen, in 38 Fällen handelte es sich um eine effektive Ablehnung durch das BLV.
Die Meldungen und Bewilligungsanträge beziehen sich auf insgesamt 356 verschiedene Arzneimittel.
Die Anzahl der Meldungen und Bewilligungsanträge stieg von 26 im Juli 2022 auf 250 im Juni 2023 an, wobei im März 2023 ein Höhepunkt von insgesamt 276 Meldungen und Bewilligungsanträgen erreicht wurde. Dieser kurzfristige Anstieg ist auf den Lieferunterbruch eines Schweizer Impfstoffes gegen die infektiöse bovine Keratokonjunktivitis zurückzuführen.
Da im Auswertungszeitraum parallel Sonderbewilligungen von Swissmedic und bis Ende Oktober 2022 auch vom Institut für Virologie und Immunologie (IVI) im Umlauf waren, ist im folgenden Auswertungsjahr ein weiterer Anstieg denkbar.
Die häufigste Begründung für die Einfuhr von Arzneimitteln war, dass in der Schweiz kein alternativ einsetzbares oder medizinisch gleichwertiges Arzneimittel zugelassen war (1458 Meldungen und Bewilligungsanträge; 74,20%). Als medizinisch gleichwertig werden Arzneimittel eingestuft, welche im Wesentlichen die gleichen Wirkstoffe in vergleichbarer Formulierung enthalten und für dieselbe Zieltierart und denselben therapeutischen Zweck bestimmt sind. Weitere Gründe waren die Nichtverfügbarkeit des in der Schweiz zugelassenen Arzneimittels (15,47%), die Ungeeignetheit des zugelassenen Arzneimittels für den Einzelfall aufgrund der Galenik oder Dosisstärke (10,03%) und der Sachverhalt, dass in der Schweiz zwar ein Tierarzneimittel zugelassen und verfügbar ist, dieses im Gegensatz zum importierten jedoch kritische antibiotische Wirkstoffe enthält (0,31%).
Insgesamt am häufigsten wurden Arzneimittel mit einer Zulassung in Deutschland importiert. Bei den Importen für Heimtiere hatten viele Arzneimittel eine zentrale EU-Zulassung (137) oder eine Zulassung in Frankreich (93), den USA (88), den Niederlanden (54), Italien (31) oder Österreich (27). Auch für Nutztiere wurden am häufigsten Arzneimittel eingeführt, welche eine Zulassung in Deutschland hatten (306), gefolgt von solchen mit einer Zulassung in Frankreich (137), den USA (123), der EU (82), Italien (40), den Niederlanden (32), Österreich (24) und anderen Ländern (52).
Zu den für Heimtiere mengenmässig meistimportierten Arzneimitteln (Total importierte Packungen) gehören ein Anthelminthikum mit dem Wirkstoff Nitroscanat zur Umwidmung (Anwendung bei Fischen), ein Magenschleimhautschutz mit Sucralfat und ein Schleifendiuretikum mit Furosemid. In der Schweiz sind zwar Anthelminthika zugelassen, allerdings mit anderen Wirkstoffen als im eingeführten Tierarzneimittel enthalten und welche zur Behandlung von Fischen weniger geeignet sind. Auf dem Schweizer Tier- und Humanarzneimittelmarkt ist keine vergleichbare Alternative zum importierten Arzneimittel mit Sucralfat zugelassen. Tierarzneimittel mit Schleifendiuretika sind in der Schweiz zwar zugelassen, allerdings in Dosisstärken, welche für kleine Hunde und Katzen nicht geeignet sind.
Zu den mengenmässig für Nutztiere meistimportierten Arzneimitteln (Total importierte Packungen) gehören ein Mineralstoffsupplement mit Kalzium, ein Eisenoxid-Dextran-Komplex und ein Immunologikum mit aviärem Encephalomyelitisvirus. Zwar gibt es in der Schweiz zugelassene Tierarzneimittel mit Calcium oder Eisen, allerdings waren diese im Auswertungszeitraum nicht immer verfügbar. Bis 2022 stand in der Schweiz noch eine Alternative zum importierten Immunologikum mit aviärem Encephalomyelitisvirus zur Verfügung – momentan ist kein alternativ einsetzbarer Impfstoff in der Schweiz zugelassen.
Das entzündungshemmende Arzneimittel mit Flunixin-Meglumin ist sowohl in der Grafik mit den Arzneimitteln zur Anwendung bei Heimtieren als auch in der Grafik mit den Arzneimitteln zur Anwendung bei Nutztieren aufgeführt, was durch die hauptsächliche Anwendung bei Equiden zu begründen ist. In der Schweiz sind Tierarzneimittel mit demselben Wirkstoff zugelassen, jedoch ausschliesslich für die Anwendung zur Injektion, was die längerfristige Gabe, insbesondere durch Tierhaltende, erschwert.
Alle für Heimtiere eingeführten Arzneimittel hatten eine Zulassung in einem Land mit vergleichbarer Tierarzneimittelkontrolle, während 125 Importe mit Arzneimitteln für Nutztiere eine Zulassung in einem Land ohne vergleichbare Kontrolle hatten. Diese hohe Anzahl ist massgeblich auf den Lieferunterbruch des Schweizer Impfstoffes gegen die infektiöse bovine Keratokonjunktivitis zurückzuführen, zu welchem keine Alternative in einem Land mit vergleichbarer Tierarzneimittelkontrolle zugelassen ist. Importe von Arzneimitteln mit Zulassung in einem Land ohne vergleichbare Arzneimittelkontrolle sind nur in Ausnahmefällen und nur mit Bewilligung des BLV erlaubt.
Für Heimtiere importierte Arzneimittel (407) waren deutlich öfters zur Umwidmung (Anwendung bei einer anderen Tierart oder für eine andere Indikation als zugelassen) bestimmt als für Nutztiere importierte (113). Es ist davon auszugehen, dass auch in der Schweiz zugelassene Arzneimittel häufiger für Heimtiere umgewidmet werden als für Nutztiere, Zahlen hierzu fehlen jedoch.
Es gab 7 Meldungen/Bewilligungen für Betäubungsmittel, 473 Bewilligungen für Immunologika (davon 400 für Nutztiere) und 30 Bewilligungen für Tierarzneimittel mit kritischen Antibiotika. Es wurden keine Tierarzneimittel-Importe für Bienen beantragt.
Der neue Melde- und Bewilligungsprozess für den Import von Tierarzneimitteln generiert Daten, die verdeutlichen, dass die zwischen Juli 2022 und Juni 2023 gemeldeten und bewilligten Importe primär auf fehlende Schweizer Zulassungen zurückzuführen sind. Ein weiterer Grund sind Lieferunterbrüche von in der Schweiz zugelassenen Arzneimitteln. Der neue Prozess ermöglicht zudem, erstmals aufzuzeigen, welche Tierarzneimittel auf dem Schweizer Markt fehlen und in welchen Bereichen der Markt bei Lieferunterbrüchen besonders instabil ist. In Fällen, in denen der Schweizer Tierarzneimittelmarkt die Grundversorgung in der Schweiz nicht selber sicherstellen kann, sind Tierärztinnen und Tierärzte für die Erhaltung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Tiere darauf angewiesen, Arzneimittelimporte rasch und unkompliziert durchführen zu können. Insgesamt verdeutlichen die Ergebnisse die Notwendigkeit einer flexiblen und effektiven Regulierung des Tierarzneimittelmarktes.
Weitere Informationen
- Melde- und Bewilligungsprozess: blv.admin.ch/tam-import-de
- Zugang zum Meldeformular/Bewilligungsantrag im IS ABV: isabvapp.blv.admin.ch
- Rechtliche Grundlagen: Art. 7–7e TAMV (Tierarzneimittelverordnung, SR 812.212.27)
- Feedback und Fragen: tam-import@blv.admin.ch