Journal Schweiz Arch Tierheilkd  
Verlag GST  
Heft Band 164, Heft 12,
Dezember 2022
 
ISSN (print) 0036-7281  
ISSN (online) 1664-2848  
online seit 29 November 2022  
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VBT Herbsttagung 2022

Es herrscht Fachkräftemangel – überall!

www.vbt.ch

Am 3. November 2022 fand im Restaurant Kreuz in Herzogenbuchsee die 7. Herbsttagung des Vereins Bernischer Tierärztinnen und Tierärzte (VBT) statt. Das hochaktuelle Thema Fachkräftemangel stand im Fokus der Zusammenkunft.

Die Anwesenden kamen zu Beginn in den Genuss von vier interessanten Kurzvorträgen. An der Tagung kamen aber auch die Diskussion und das gemütliche Zusammensein nicht zu kurz. Als Moderator konnten wir Christoph Peter, Ingenieur Agronom FH, gewinnen. Christoph Peter kennt die Situation unseres Berufsstandes bestens, unter anderem betreute er mehrere Jahre den Bereich Wirtschaft auf der Geschäftsstelle der GST. Ziel der Tagung war nicht eine «Problembewirtschaftung», sondern der Austausch und das Suchen nach Lösungen.

GST mit Fokus auf Wettbewerbsfähigkeit

Der Nachmittag wurde mit einem Referat unseres GST-Vorstandsmitgliedes Claudia Graubner eröffnet. Sie führt eine Privatpraxis und hat einen Lehrauftrag an der Universität Bern. Unter dem Titel «Was versteht die GST unter Fachkräftemangel?» stellt Sie den Anwesenden Resultate von Umfragen und Studien zu diesem Thema vor: 50 % der Nutztierärztinnen und Nutztierärzte sind über 50 Jahre alt, viele Praxen finden keine Nachfolger, lediglich 40 % der Studierenden wollen später in der Praxis arbeiten, 60- bis 80-Stunden-Wochen sind immer noch weit verbreitet und 36 % der neu zugelassenen Tierärztinnen und Tierärzte kommen aus dem Ausland. Gemäss GST-Basisbefragung 2022 sehen die Mitglieder in erster Linie bei der Nachwuchsförderung und in der regionalen Zusammenarbeit Handlungspotenzial.

Die GST unterstützt ihre Mitglieder und die Praxen auf verschiedenen Ebenen. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Praxen, indem ein Beratungsnetz aufgebaut wird. Dieses soll den Praxen insbesondere bei den Themen Finanzen und Wirtschaftlichkeit Unterstützung bieten. Als Beispiel werden Kalkulationshilfen zur Verfügung gestellt, um die angemessene Verrechnung der Leistungen und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Tierarztpraxen sicherzustellen.

Weiter wird Unterstützung bei der TPA-Ausbildung und bei Notfalldienstabsprachen angeboten. Die GST will zu diesem Zweck auch weiter die die Kollegialität unter den Mitgliedern und Praxen fördern. Mit dem Lehrpraxenmodell sollen der Berufseinstieg und der Wiedereinstieg verbessert werden.

Was macht die öffentliche Hand gegen den Fachkräftemangel?

Gespannt warteten wir auf Antworten von Daniel Schönmann, Vorsteher des Amtes für Hochschulen, Bildungs- und Kulturdirektion des Kantons Bern.

Zuerst bestätigte Herr Schönmann die Behauptung im Veranstaltungstitel: es herrscht Fachkräftemangel – überall. Tatsächlich wird in der Pflege, im Schulwesen, im Gastgewerbe, in der IT-Branche und vielen anderen Berufszweigen verzweifelt nach Fachkräften gesucht. Ein Hauptgrund ist sicherlich die demografische Entwicklung, die Baby-Boomer gehen in Pension.

2011 startete Bundesrat Johann Schneider-Amman die Fachkräfte-Initiative. Im Rückblick sieht man, dass mit dieser Initiative der Anteil der Frauen in der Arbeitswelt gesteigert werden konnte. Zudem wird seither die Ausbildung in den Fächern Mathematik-Informatik-Technik mehr gefördert. Die Anzahl der Studierenden konnte in diesen Fachrichtungen gesteigert werden.

Für die Veterinärmedizin konnten 2019 ebenfalls einige neue Studienplätze geschaffen werden. Die Ressourcen und die Infrastruktur sind an den beiden Vetsuisse-Standorten Bern und Zürich aber leider begrenzt. Um dies zu ändern oder eine neue veterinärmedizinische Fakultät zu gründen, muss die Politik aktiv werden. Laut Herr Schönmann ist dies nicht aussichtslos. Die Studienplätze in der Humanmedizin konnten in den letzten Jahren um 20 % gesteigert werden. Dazu war jedoch ein ausserordentlicher Effort von vielen Seiten und mehrere 100 Millionen Franken erforderlich.
Im Weiteren unterstützt die öffentliche Hand die Anstrengungen zu «First Days Skills» und neuen Technologien, welche die Menschen entlasten können.

Was macht die Uni, damit genügend Fachkräfte ausgebildet werden?

Prof. David Spreng, Dekan der Vetsuisse-Fakultät, referierte über das Thema aus der Sicht der Universität. Er bestätigte den Konsens unserer Herbsttagung 2019: es gibt momentan keine Alternative zum aktuellen Numerus-clausus-Aufnahmeverfahren. Dieses ist so ausgelegt, dass diejenigen Kandidaten ausgesucht werden, die gute Aussichten haben, durchs Studium zu kommen. Es erfüllt darüber hinaus die gesetzlichen Anforderungen (Rechtsgleichheit, Gerechtigkeit, Wissenschaftlichkeit).

Trotzdem konnte die Anzahl der Studierenden um 10 % erhöht werden. Weniger als 10 % schliessen das Veterinärstudium nicht ab. 20 % der Studierenden müssen eines oder mehrere Semester repetieren. Dies sei zu viel, es dürfe aber nicht dazu führen, die Anforderungen zu senken. Im neuen Curriculum wird mehr Gewicht auf die praktische Ausbildung gelegt. Mit dem neuen Lernzielkatalog werden auch Grundkompetenzen wie Kommunikation, Teamarbeit und lebenslanges Lernen gefördert.

Sorge bereitet David Spreng die mentale Gesundheit der Studierenden. Studien haben aufgezeigt, dass ca. 50 % der Studierenden der Veterinärmedizin Anzeichen von Depression aufweisen und über 50 % über eine ungenügende Resilienz verfügen. Das ist der höchste Wert über alle Studienrichtungen und deckt sich mit Untersuchungen in anderen Ländern.

Die Struktur des Staatsexamens wird ebenfalls angepasst. Die Resultate sollen besser vergleichbar, die Subjektivität verringert werden. Das Ziel ist, dass weniger als 4% der Kandidierenden beim Staatsexamen durchfallen. Die «harten» Prüfungen finden in den ersten Jahren des Studiums statt.

Zusätzlich wird in die Weiterbildung nach dem Studium investiert. Hier sind auch die GST und die Sektionen gefordert. Alles in allem sei die Universität auf einem guten Weg. Es werden mehr Studierende ausgebildet. Die zusätzlichen Absolventen werden aber erst in ein paar Jahren auf dem Arbeitsmarkt verfügbar sein.

Konkrete Massnahmen für Unternehmer

«Fachkräftemangel: von gebundenen Händen und konkreten Massnahmen» war der Titel des letzten Referates, gehalten von Peter Stämpfli, Unternehmer der Stämpfli-Gruppe in Bern. Seine Firma wurde vor 222 Jahren gegründet und beschäftigt aktuell über 300 Mitarbeitende in den verschiedenen Berufen. 40% der Angestellten haben eine Berufslehre gemacht.

Die Kommunikations-, Druck- und Medienbranche hat enge Margen und grosse Rekrutierungsprobleme. Gründe für den Fachkräftemangel sind die mangelnde Attraktivität, zu wenig geeignete Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt und die gesellschaftliche Entwicklung. Die finanziellen Möglichkeiten der Unternehmung und die Erwartungen der Mitarbeitenden stimmen oft nicht überein.

Um diesen Problemen entgegenzutreten, hinterfragt Peter Stämpfli regelmässig sein Geschäftsmodell. Aus seiner Erfahrung kann nur eine gemeinsame Lösung von Geschäftsführung und Mitarbeitenden zum Ziel führen. Das Leben aller Involvierten muss in einem Gleichgewicht sein. Zeit für Soziales oder für den eigenen Körper und die Leistung bei der Arbeit müssen längerfristig in eine Balance gebracht werden. Die Geschäftsführung kann dies fördern, indem sie ein geeignetes Arbeitsumfeld für die Mitarbeitenden schafft und als Motivator wirkt. Motivierend für die meisten Mitarbeitenden ist, wenn sie sich der Firma und dem Team zugehörig fühlen und so eigenständig wie möglich arbeiten können. Die Führungskultur muss auf Vertrauen basieren, nicht auf Angst. Die Geschäftsführung und alle Mitarbeitenden sollten sich auf Augenhöhe begegnen. Peter Stämpfli zeichnete uns ein sehr eindrückliches Bild seiner Unternehmung und der Wertschätzung gegenüber seinen Mitarbeitenden. Dies kann ein Puzzleteilchen gegen den Fachkräftemangel sein.

In der darauffolgenden Diskussion konnten sich alle Teilnehmenden einbringen. Es wurden viele weitere Ideen zur Linderung des Fachkräftemangels ausgetauscht. Das Thema liess die meisten Kolleginnen und Kollegen auch während der Kaffeepause, beim Apéro und beim anschliessenden Nachtessen nicht los, wo rege weiterdiskutiert wurde.

Felix Neff, Präsident VBT

Ziel der VBT-Tagung war nicht eine «Problembewirtschaftung», sondern der Austausch und das Suchen nach Lösungen.
 
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