Vet-Info
Wie finanziert sich die Hilfsorganisation VSF-Suisse und welche Herausforderungen muss sie dabei meistern?
Im Editorial der Mai-Ausgabe dieses Magazins machte Ueli Kihm, Präsident von Vétérinaires Sans Frontières Suisse (VSF-Suisse), auf eine der grössten finanziellen Herausforderungen seiner tierärztlichen Hilfsorganisation aufmerksam: Die Organisation wächst stetig und wird bei institutionellen Geldgebern eine immer gefragtere Partnerin für die Umsetzung von Entwicklungsprojekten. Damit steigt der Projektaufwand, nicht jedoch das Organisationskapital.
Weshalb Organisationskapital (Eigenkapital) so wichtig ist und wie die Finanzierung einer Hilfsorganisation eigentlich funktioniert, beleuchten wir im Gespräch mit Jorge Pascual, Leiter Finanzen bei VSF-Suisse.
Jorge Pascual erklärt: «Wegen der immer akuter werdenden Klimakrise, der in Südsahara-Afrika wieder steigenden Ernährungsunsicherheit mit ihren tödlichen Auswirkungen und dem erwiesenen Zusammenhang zwischen Tiergesundheit und der Gesundheit von Menschen, werden Dienstleistungen wie diejenigen von VSF-Suisse immer wichtiger.» Aus diesem Grund konnte die Organisation in den vergangenen zehn Jahren wachsen und sich professionalisieren.
«Die in der Folge steigenden Projektbeiträge zeugen vom guten Ruf, den VSF-Suisse bei grossen institutionellen Geldgebern geniesst», so Pascual weiter: «Allerdings stellt es uns auch vor eine grosse Herausforderung: Weil aus Projektbeiträgen nur wenig bis gar keine Gelder für die Reservenbildung verwendet werden können, ist das Wachstum unseres Organisationskapitals (Eigenkapitals) nicht im gleichen Masse erfolgt, wie das des Projektaufwandes.» Der finanzielle Sockel der Organisation müsse deshalb dringend gestärkt werden.
Wie sich VSF-Suisse finanziert
Auf die Frage, wie sich eine Hilfsorganisation wie VSF-Suisse finanziert, antwortet Pascual: «Die Finanzierung unserer Aktivitäten setzt sich aus mehreren Quellen zusammen. Diese können grob in zwei Teile unterteilt werden. Auf der einen Seite erhalten wir projektbezogene Beiträge von staatlichen und internationalen Organisationen sowie Stiftungen, Gemeinden und Kantonen. Diese machen mit durchschnittlich 86 % den Grossteil unserer Finanzierung aus. Auf der anderen Seite erhalten wir sogenannte freie Spenden von Privatpersonen, Firmen und Verbänden sowie die jährlichen Beiträge unserer Vereinsmitglieder.»
Der Unterschied, wie die Bezeichnungen schon vermuten lassen, liegt in der möglichen Verwendung dieser Beiträge. Während projektbezogene Beiträge nur im Rahmen eines bestimmten Projekts verwendet werden dürfen, können freie Spenden flexibel eingesetzt werden. Dies erlaubt es VSF-Suisse beispielsweise, eigene Projekte zu entwickeln und vorzufinanzieren oder Nothilfeeinsätze während Krisensituationen eigenständig und rasch durchzuführen.
Darüber hinaus fliesst ein Teil der freien Spenden auch in den Aufwand der Geschäftsstelle. VSF-Suisse arbeitet dabei äusserst effizient, wie Pascual betont: «89 % unseres Gesamtaufwandes fliessen in die Projektarbeit und nur 11% werden für Administration und Fundraising aufgewendet. Das ist ein top Wert, weit unter der von der Zewo erlaubten Grenze, und zeugt vom verantwortungsvollen Umgang mit den Geldern, die uns anvertraut werden.»
Die finanzielle Entwicklung in den letzten 10 Jahren
VSF-Suisse hat in den letzten 10 Jahren einen grossen Wandel durchlaufen. Nach den schwierigen Jahren 2010 bis 2014, gelang 2014 dank eines ausserordentlichen Spendenaufrufes, grosszügigen Legaten, nachrangigen und zinslosen Darlehen sowie des Aufbaus eines Fonds zur Vorfinanzierung von Projekten der Turnaround. Seither ist das Organisationskapital stets positiv und die jährlichen Betriebsrechnungen präsentieren leichte Überschüsse. So ist es gelungen, in den letzten 10 Jahren über CHF 1 Mio. zu sparen und ein Organisationskapital von aktuell CHF 700 000 aufzubauen.
«Wir sind stolz auf die finanzielle Entwicklung der letzten Jahre. Die ausgeglichenen Betriebsrechnungen mit leichten Überschüssen zeigen uns, dass die Art unserer Finanzierung in dem Sinne nachhaltig ist, als dass sie uns als Organisation ermöglicht, unsere Aktivitäten durchzuführen und die damit verbundene Kosten laufend decken zu können.», sagt Pascual und ergänzt: «Jedoch ist auch klar, dass eine weitere Erhöhung des Organisationskapitals, bzw. der Reserven über die laufenden Betriebsrechnungen nicht möglich ist.»
Grössere Reserven für eine stabile und nachhaltige Zukunft
Es gibt gemäss Pascual konkrete Faktoren, welche eine Vergrösserung der finanziellen Reserven von VSF-Suisse unabdingbar für ihr nachhaltiges Funktionieren machen:
1. Der gute Ruf: Immer mehr institutionelle Geldgeber wollen mit VSF-Suisse arbeiten. Um diese Nachfrage gerecht zu werden, braucht die Organisation aber mehr Kapazitäten, auch finanzieller Natur.
2. Währungsschwankungen: VSF-Suisse ist in acht Ländern tätig und muss seine Geschäfte in verschiedenen, teils hochvolatilen Lokalwährungen abwickeln. Mit einem stärkeren finanziellen Sockel könnten Währungsschwankungen besser absorbiert werden.
3. Arbeit in gefährlichen Kontexten: Die Projektaktivitäten von VSF-Suisse finden oft in gefährlichen Kontexten statt. Einerseits führt dies zu erhöhten Risiken in der Projektumsetzung (z.B. temporäre Sistierung von einem Projekt aufgrund der Sicherheitslage) mit möglichen Mehrkosten. Andererseits entstehen auch plan- und unplanbare Mehrkosten im Personalbereich (z.B. Kriegsversicherung, Sicherheitstrainings, temporäre Evakuationen von Mitarbeitenden etc.). Ein Einsatz in diesen konflikt- und katastrophenbetroffenen Regionen birgt erhöhte Risiken, welche, um sie gut zu meistern, Reserven benötigen.
4. Prozentsatz der frei verfügbaren Beträge in Projektfinanzierungen sinkend: Die Margen (d.h. die frei verfügbaren Beiträge) aus zweckgebundenen Projektbeiträgen nehmen ab. Somit können wir aus zweckgebundenen Projektbeiträgen kaum Reserven bilden, sondern lediglich die laufenden Kosten decken.
5. Studienbelegte Faktoren, welche die Reservenbildung erschweren: Gemäss einer Studie der Beratungsfirma PPCmetrics und dem Center for Philanthropy Studies der Universität Basel haben in der Schweiz eine von vier im Ausland tätigen Organisationen ungenügende Reserven.1 Auch die Stiftung Zewo nennt in einem Bericht von Januar 20212 Faktoren (darunter Wachstum, Tätigkeit in fragilen Kontexten, Rechtsform Verein), die eine Reservenbildung erschweren. All diese Punkte treffen auf VSF-Suisse zu.
«Dies bedeutet, dass die Reservenbildung für unsere Organisation wichtig, aber gleichzeitig besonders schwierig und aus den laufenden Betriebsrechnungen kaum zu stemmen ist. Vielmehr braucht es einen ausserordentlichen Effort zur Bildung von Reserven, wie z.B. unsere aktuelle Kapitalkampagne,» sagt Pascual.
Kampagne zur Stärkung des Organisationskapitals
Um sich also bestmöglich auf zukünftige Eventualitäten vorzubereiten sowie flexibel und selbständig in Krisensituation helfen zu können, hat VSF-Suisse dieses Jahr eine Kampagne zur Stärkung ihres Organisationskapitals gestartet. Pascual schliesst ab: «Jede Spende an das Organisationskapital ist eine Spende für die Zukunft der Organisation – und für die Zukunft der Menschen in unseren acht Einsatzländern in Afrika. Dafür danken wir Ihnen von Herzen!».
1https://www.ppcmetrics.ch/files/7216/0692/4467/2020-12-02_Jahrbuch_der_Hilfswerke_2020.pdf
2https://swissfundraising.org/neue-zewo-studie-hilfswerke-haben-stabile-kosten-und-reserven/, https://zewo.ch
Wie Sie spenden können
www.vsf-suisse.org/kapitalkampagne
Online-Spenden
mit Kreditkarte, Postfinance, Twint oder PostFinance Card:
www.vsf-suisse.org/spenden/spendenformular
Einzahlungen
Vereinskonto: 30-24633-4
IBAN: CH78 0900 0000 3002 4633 4
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Wir senden Ihnen gerne Einzahlungsscheine per Post oder E-Mail als PDF zum Herunterladen! Kontaktieren Sie uns unter service@vsf-suisse.org oder Tel. 031 332 77 65
Text: Philipp Hayoz
Bilder und Grafiken: VSF-Suisse