Tollwut

Welpen-Quarantäne

Ein Plädoyer für das Leben

Dr. med. vet. Lisa Goldinger, im Namen des Vorstandes der STVT
Schweizerische Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz

www.stvt.ch

Die Schweizerische Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (STVT) beschäftigt sich seit Jahren mit dem illegalen Welpenhandel. Aus Sicht des Tierschutzes dürfen weder die oft katastrophalen Bedingungen akzeptiert werden, unter denen die Welpen geboren und aufgezogen werden, noch die viel zu frühe Vermittlung mit tagelangen Transporten, bei denen leichtfertig Verluste in Kauf genommen werden.

Schwer zu ertragen ist auch, dass wir Tierärztinnen und Tierärzte Welpen euthanasieren müssen, weil dies infolge eines amtlichen Tollwutverdachts angeordnet wird. Dies im Wissen, dass bei der nachfolgenden Untersuchung der Virusnachweis mit grösster Wahrscheinlichkeit negativ sein wird.1

In der Schweiz und ihren Nachbarländern kommt Tollwut glücklicherweise praktisch nicht mehr vor. Die meisten Kolleginnen und Kollegen kennen sie nur aus den Lehrbüchern, nicht aber aus eigener Erfahrung. Ohne entsprechende Anamnese mit Auslandaufenthalt und Bissverletzungen, ist diese Krankheit nicht auf unserer Liste der Differentialdiagnosen; erst recht nicht bei den unspezifischen Symptomen der frühen Krankheitsphase. In Osteuropa hingegen tritt Tollwut noch vereinzelt auf.2 Hier ist nicht nur die epidemiologische Lage über die Einfuhrbestimmungen in die Schweiz entscheidend, sondern schlicht die EU-Zugehörigkeit oder der Status der Anerkennung des Tollwutrisikos: Ob noch Fälle gemeldet sind oder nicht, beim Import aus EU-Mitgliedstaaten und zwölf weiteren europäischen Ländern reichen Chip, Tollwutimpfung und Heimtierpass. Weiter gibt es noch die Gruppe der «tollwutrisikoarmen Länder», der Rest gilt als Risikoland.3 Hier gelten «Drittlandbestimmungen», ungeachtet davon, ob die Länder viele, wenige oder gar keine Tollwutfälle aufweisen. Beispielsweise meldete Rumänien (EU-Mitglied) in den letzten fünf Jahren zehn Fälle von Tollwut bei Haustieren2, Serbien (auf der Liste der Tollwutrisikoländer) nur einen Fall2. Natürlich ist unbekannt, ob und wie gut die einzelnen Länder ihre Fallzahlen abklären und melden. Selbst die WHO listet Serbien jedoch als tollwutfrei.2

Wer in Quarantäne muss oder nicht, entscheidet aber nicht die WHO, sondern eben die schweizerische Liste. Für importierte Welpen bedeutet dies: Solche, die aus einem Drittland kommen oder lediglich kommen könnten, stehen grundsätzlich unter Tollwutverdacht. Bei einigen Ländern ist dieser Verdacht durchaus berechtigt, was aber nicht bedeuten darf, dass Welpen deswegen euthanasiert werden. Wir müssen daher eine Möglichkeit finden, diese Tiere ohne physischen und psychischen Schaden durch eine 120-tägige Quarantänezeit zu bringen.

Professionelle Tollwut-Quarantäne

Die Realisierung einer professionellen Tollwut-Quarantäne betrachten wir als dringlich. Das Geschäft mit Welpen ist sehr lukrativ und wird weder ernsthaft noch genügend organisiert bekämpft oder ausreichend bestraft. Die Nachfrage nach Hundewelpen in der Schweiz ist sehr hoch, weshalb es immer mehr findige und skrupellose Hundehändler gibt, die Welpen produzieren lassen. Da sie mittlerweile so gut organisiert sind, kommen ahnungslose und unerfahrene Hundeinteressierte nicht auf die Idee, dass etwas nicht stimmen könnte. Teilweise werden die Welpen in Wohnungen übergeben, dort ist eine nette Familie, ein nettes Hundemami, und die Impfungen sind gemäss Heimtierpass korrekt und auf den Tag genau vorgenommen worden. Es werden sogar Fütterungstipps und Merkblätter abgegeben. Nach dem Kauf ist an der Adresse jedoch niemand mehr erreichbar, die angegebene Telefonnummer ist ungültig. Selbst wenn die Missstände offensichtlich sind, weil die Übergabe auf einem Autobahnrastplatz mitten in der Nacht stattfindet, macht die Kundschaft keinen Rückzieher mehr, da sie den Welpen schlichtweg retten will.

Welpenherkunft verlagert sich in Tollwutrisikoländer

Die «Produktion» der Welpen verlagert sich zunehmend von ost- in südwärts gelegene Länder, die tatsächlich ein hohes Tollwutrisiko haben. So wird in letzter Zeit vermehrt beobachtet, dass Welpen von Nordafrika über Frankreich in die Schweiz geschleust werden. Künftig muss daher mit mehr Tieren aus echten Tollwutrisikoländern gerechnet werden. Wollen wir diese wirklich alle euthanasieren? Oder in einer nicht ungefährlichen und schwer kontrollierbaren Quarantäne à domicile unterbringen? Bei dieser Form der Quarantäne ist niemand in der Erkennung früher Symptome geschult oder durch eine präexponentielle Prophylaxe gegen Tollwut geschützt. Und wollen wir ausgerechnet diejenigen Welpen töten, die das «Glück» haben, dass ihre Illegalität erkannt wird? Es ist eine traurige Tatsache, dass wir nur einen Bruchteil entdecken können, die anderen entziehen sich jeder Kontrolle und dürfen irgendwo leben – Tollwutrisiko hin oder her.

Warum boomt der Welpenhandel?

Die Antwort ist einfach: Es gibt zu wenige Hunde. In der Schweiz beträgt die jährliche Nachfrage bzw. Registrierung etwa 60 000 Hunde.4 Nicht einmal die Hälfte dieses Bedarfes kann durch inländische Zucht gedeckt werden. Pro Jahr werden ca. 36000 Hunde importiert, ein Drittel davon Welpen, die jünger als 98 Tage sind.4 Demnach gelangen also in der Schweiz jeden Tag 32 Welpen zu einem neuen Besitzer, Tendenz steigend.

Hin und wieder gelingt es den Zoll- und Veterinärbehörden, einen illegal importierten Welpen zu entdecken. Und hier beginnen dann die Probleme. Probleme, die uns Tierärztinnen und Tierärzte emotional stark fordern: Die Welpen sind oft krank oder geschwächt und brauchen intensive tierärztliche Betreuung. Selbst bei gesunden kommt ein weiteres Problem dazu: Fehlt der eindeutige Nachweis, woher das Tier stammt, wird ein amtlicher Tollwutverdacht ausgesprochen. Laut ­Gesetz5 haben die Behörden in solchen Fällen drei Möglichkeiten: Rückweisung, Tötung oder Beschlagnahmung. Für diesen Entscheid sind die kantonalen Veterinärbehörden zuständig.

Rückweisung, Euthanasie oder Beschlagnahmung

Die Rückweisung oder Rückführung in das Herkunftsland ist oft nicht möglich, weil die Tiere an einer Autobahnausfahrt oder -raststätte übergeben wurden. Ausserdem bedarf es der Zustimmung des Herkunftslands und die Ausfuhr muss von der entsprechenden Zollbehörde bestätigt werden. Häufig haben die Tiere eine tagelange Reise in die Schweiz hinter sich und sind bereits krank oder geschwächt, sodass eine Rückführung meist den sicheren Tod oder zumindest ein sehr ungewisses Schicksal bedeutet.

Die Euthanasie ist aus behördlicher Sicht eine verlockende Entscheidung: Zuverlässige Elimination eines potentiellen Seuchenfalls und kostengünstig. Oft werden die Besitzer unter dem Aspekt der Kostenübernahme unter Druck gesetzt, in die Euthanasie einzuwilligen und werden dazu auf die Gefährlichkeit der Tollwut hingewiesen. Auch wenn das Risiko noch so klein ist, wirkt dies auf die Besitzer furchteinflössend. Doch nicht Angstmacherei ist gefragt, sondern eine individuelle Risikoabwägung und medizinisches Fachwissen gepaart mit Menschlichkeit: Wir haben die moralische Verpflichtung, für diese unschuldigen Lebewesen eine bessere Lösung zu finden. Das Problem ist von Menschen verursacht, somit muss es auch von Menschen ohne sinnlose Tötungen gelöst werden.

Die Beschlagnahmung ist für die Rettung der Welpen ganz klar der einzige gangbare Weg. Doch was die Behörden anschliessend für diese Tiere entscheiden, ist sehr unterschiedlich. Die STVT wollte es genau wissen und hat 2021 eine Umfrage bei den Kantonen gemacht. Die Antworten fielen dabei sehr unterschiedlich aus.

Wir müssen und können es besser machen!

In einigen Kantonen ist es oft eine Quarantäne à domicile, in anderen wird sofort euthanasiert. Alle betonen bei einer allfälligen Quarantäne6 indessen die Wichtigkeit einer guten Sozialisierung der Welpen. Wir müssen und können es besser machen: Eine Quarantäne, die sowohl Sicherheit als auch eine gute Prägung und Sozialisierung ermöglicht! Angesichts der unbekannten Zahl behördlich nicht erfasster, illegal importierter Welpen (auch aus Tollwutrisiko-Ländern) und der plötzlich erleichterten Einfuhr ukrainischer Haustiere ist es nicht nachvollziehbar, warum es für die jährlich rund 60 getöteten Hunde (meist Welpen) keine Chance zum Überleben gibt.

In der Umfrage äussern einige Kantone die Bedenken, dass eine organisierte Quarantäne den Import noch ankurbeln könnte6. Die Importe sind allerdings so hoch, weil inländische Hunde die Nachfrage nicht decken können. Wenn ein Hund in die Quarantäne muss, ist er beschlagnahmt und damit für einen Händler nicht mehr interessant. Im Gegenteil, für den Händler oder den Besitzer wird es teuer.

Vergleicht man die Anzahl importierter Welpen (12 000) mit der Zahl behördlicher Anordnungen (knapp 400), sind diese Bedenken unbegründet. Mit oder ohne Quarantäne, es ändert nichts an der Tatsache, dass Welpen und andere Hunde weiterhin illegal in die Schweiz gelangen.

Für die Kosten der angeordneten Massnahmen müssen die fehlbaren Tierhalter aufkommen.7 Eine welpengerechte Einrichtung dürfte den Kantonen die Entscheidung zugunsten einer Quarantäne erleichtern. Doch selbst wenn sie es wollten, sind die meisten Besitzer nicht in der Lage, den fünfstelligen Betrag für eine Quarantäne aufzubringen (zusätzlich zu Verfahrenskosten und Bussen). Die Finanzierung fällt somit auf die Kantone zurück, was eine Lawine von Einsprachen auslösen wird. Angenommen, jeder Welpe in der Spezial-Quarantäne verursacht Kosten von CHF 100.–/Tag, so müssten pro Hund CHF 12 000.– aufgewendet werden.

Wie viel ist ein Hundeleben wert?

Ist ein solcher Betrag für einen Hund gerechtfertigt? Ja, ist er aus unserer Sicht. Es ist der Preis für die Wahl zwischen der Tötung eines gesunden Tieres und einem reinen Gewissen. Noch heute quält mich die Erinnerung an jedes einzelne Tier, das ich auf Anordnung der Behörden einschläfern musste. Ich redete mir ein, dass der Tod für die Welpen besser ist als ein lebenslängliches, schweres Deprivationssyndrom. Heute weiss ich es besser – welpengerechte Quarantänestationen existieren. Bedauerlicherweise gibt es in der Schweiz nur ganz wenige Tierheime, die eine Quarantäne anbieten können. Generell fehlen geeignete Konzepte und die Voraussetzungen beim Personal und den Bauten, um sie mit der nötigen Sicherheit zu betreiben und gleichzeitig den Tieren eine Unterbringung zu bieten, bei der das Tierwohl gewährleistet ist.

Der Wille, einen Welpen in Quarantäne zu bringen statt ihn zu euthanasieren, bedeutet heute für eine Tierärztin oder einen Tierarzt, sich persönlich enorm zu engagieren, sich in einer gesetzlichen Grauzone zu bewegen, die Behörden selten hinter sich zu haben und womöglich auch noch für die Kosten aufkommen zu müssen.

Es herrscht Einigkeit darüber, dass die professionelle Quarantäne mit Sozialisierung der ethisch korrekte Weg ist. Schlussendlich wird sich die Diskussion aber einzig um Sicherheit und Kosten drehen. Für letztere braucht es ein «Gentlemen’s agreement» zwischen Behörden und Tierschutzorganisationen. Das bedeutet, dass die Kosten möglichst vom Verursacher, also dem illegalen Importeur oder Besitzer, übernommen werden; die Behörden kümmern sich um die fristgerechte und vollumfängliche Begleichung. Dies dürfte auch eine abschreckende Wirkung haben, was gemäss Umfrage von den Kantonen erwünscht ist. Andererseits muss für jeden Welpen eine Quarantäne möglich sein, selbst wenn niemand für die Kosten aufkommen will oder kann. In diesen Fällen ist es Aufgabe der Tierschutzorganisationen, eine Finanzierung sicherzustellen. Sie müssen auch dafür sorgen, dass ein solcher Welpe nach der Quarantäne nicht einfach zum ursprünglichen Interessenten zurückgelangt. Beispiele aus der Praxis zeigen, dass dies mit einer guten Zusammenarbeit möglich ist.

Entscheiden wir uns für das Leben!

Bezüglich Sicherheit ist ein klares Konzept für den Betrieb einer Quarantänestation unabdingbar: Eine Kooperation von BLV, den Kantonen und Tierschutzorganisationen kann dieses erarbeiten. Die STVT engagiert sich diesbezüglich bereits. Wenn sich alle Parteien auf die Bedingungen für eine Welpen-Quarantäne einigen können, kann eine stabile Grundlage für ein funktionierendes, sicheres Angebot geschaffen werden. Ob dieses dann dezentral z.B. als Abteilung in bestehenden Tierheimen oder als eigenständige, nationale Station umgesetzt wird, hängt, nebst anderen Faktoren, auch von den Finanzierungsmöglichkeiten ab. Zum Sicherheitskonzept gehören sowohl bauliche Anforderungen wie auch Impfungen und Titerbestimmungen von Tieren und Personal, Hygienemassnahmen, spezielle Schulungen, amtliche Kontrollen etc. Schaffen wir die Möglichkeit einer Welpen-Quarantäne! Entscheiden wir uns für das Leben!

Pro Jahr werden 36 000 Hunde in die Schweiz importiert. Fehlt der eindeutige Nachweis, woher das Tier stammt, wird ein amtlicher Tollwutverdacht ausgesprochen.
Tabelle 1: Übersicht der Anordnungen bei amtlichem Tollwutverdacht.

Positionspapier der STVT: Welpenimport

Referenzen

1Jahresbericht der Schweizerischen Tollwutzentrale 2021, Tollwutzentrale, https://www.ivi.unibe.ch/unibe/portal/fak_vetmedizin/b_dept_infdipath/inst_ivv/content/e236965/e237249/files1171125/Ja21TWBKWebA_ger.pdf

2Rabies Information System of the WHO, https://www.who-rabies-bulletin.org/site-page/occurrence-rabies

3Liste der Länder mit ihrem Status bezüglich Tollwut – Hunde, Katzen, Frettchen, https://www.blv.admin.ch

4Lucia Oeschger, Biologin M.sc., Fachstelle Heimtiere des Schweizer Tierschutz STS, Referat 9. Schweizerische Tierärztetage, Congress Center Basel, 6.5.2022

5Verordnung über die Ein-, Durch- und Ausfuhr von Heimtieren (EDAV-Ht) vom 28.11.2014 (Stand 1.1.2022), Art. 29

6STVT-Bericht zur Situation betroffener Hunde/Tierhalter/Veterinärämter bei illegalen Hundeimporten, Mai 2022, http://www.stvt.ch/wp-content/uploads/2022/06/Bericht-Quaranta%CC%88nestation_STVT_Umfrage-2021.pdf

7Verordnung über die Ein-, Durch- und Ausfuhr von Heimtieren (EDAV-Ht) vom 28.11.2014 (Stand 1.1.2022), Art. 32