Tollwut

Aktuelles zur Tollwutprophylaxe für Tierärztinnen und Tierärzte

Text: Dr. med. vet. Martin Merkli, Bavarian Nordic Switzerland AG, Zug

Obwohl jedes Jahr weltweit immer noch ca. 59 000 Todesfälle durch Tollwut1 registriert werden, galt diese Infektionskrankheit, die beim Menschen unbehandelt nach Auftritt von Symptomen praktisch zu 100 % tödlich2 verläuft, Jahrzehnte lang weltweit als gut kontrollierte und weitestgehend eingedämmte Gefahr. Die Schweiz hat mit gutem Erfolg grosse Anstrengungen unternommen, um diese Tierseuche zu bekämpfen, und gilt seit 1999 offiziell als tollwutfrei.3

Die Übertragung der Tollwut vom Tier auf den Menschen erfolgt durch die Ausscheidung von neurotropen Viren der Familie der Rhabdoviridae (Genus Lyssaviren) über den Speichel, der in der Regel durch Bisse auf den Menschen übertragen wird. Die durch Hunde vermittelte Tollwut stellt dabei das höchste Risiko für menschliche Infektionen dar (99% aller Fälle). Daher zielte die weltweite Impfkampagne in erster Linie auf Hunde. Bis vor einigen Jahren durchaus erfolgreich. Doch internationale Beobachtungen zeigen nun: Seit kurzem ist die Tollwut wieder auf dem Vormarsch.

Der Grund: Im Zuge der Corona-Pandemie kam es – oftmals aus Kostengründen bzw. durch die budgetäre Umschichtung hin zu Massnahmen zur Eindämmung von Covid-19 – in zahlreichen Ländern zur Sistierung von Massen-Impfaktionen gegen Tollwut bei Hunden, wie z.B. wissenschaftliche Arbeiten aus Haiti und Latein-Amerika zeigen.4,5 Auch dadurch breitet sich die Tollwut in Risikogebieten wie zum Beispiel der Türkei, Ägypten, Tunesien, Bali, Mexiko und Südafrika wieder stärker aus.6 Damit steigt auch das Expositionsrisiko von Touristen, Einheimischen sowie von veterinärmedizinischen Fachkräften.

Aber auch jenseits von Risikogebieten steigt die Infektionsgefahr für Tierhalterinnen und Tierhalter sowie für Tierärztinnen und Tierärzte, vor allem durch eingeführte Tiere: 44 von 64 der im Jahr 2021 beprobten Hunde, die illegal eingeführt wurden, hätten mit Tollwut infiziert sein können – bei Katzen liessen sich 11 von 16 Fällen auf illegale Einfuhren aus Ländern mit terrestrischer Tollwut zurückführen.7

Einen wesentlichen Beitrag zur Tollwut-Prävention leistet die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) von Reisenden in die Tollwut-Risikoländer. Dringend empfohlen wird diese Impfung zudem auch innerhalb der Berufsgruppen, die aufgrund ihrer Tätigkeit ein erhöhtes Expositionsrisiko besitzen – wie beispielsweise Tierärztinnen und Tierärzte.

Für diese Personen (ohne Immunsuppression) sieht der Schweizer Impfplan 2022 im Rahmen der Präexpositio­n­ellen Tollwutprophylaxe gemäss BAG8 eine Grundimmunisierung mittels zwei Impfdosen (2. Dosis an Tag 7 bis Tag 28) plus einen Booster nach 12 Monaten sowie serologische Kontrolle alle 5 Jahre mit erneuter Boosterung bei Titer der neutralisierenden Antikörper (nAK-­Titer) < 0,5 IE/ml vor.

Denken Sie daran, sich selbst und Ihre Praxismitarbeiterinnen und Praxismitarbeiter gegen Tollwut zu schützen. Ihre Hausarztpraxis oder eine reisemedizinische Praxis kann Sie hierzu beraten.

Risikokarte: Vier Infektions-Risikostufen für den Menschen weltweit.
Grafik: Dosierungsschema für die PrEP-Impfung gemäss BAG a)

1World Health Organization (WHO), aufrufbar unter: https://www.who.int/health-topics/rabies#tab=tab_1, (aufgerufen im Juli 2022)
2World Health Organization (WHO), aufrufbar unter: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/rabies, (aufgerufen im Juli 2022)
3Bundesamt für Gesundheit Schweiz (BAG), aufrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/krankheiten-im-ueberblick/tollwut.html, (aufgerufen im Juli 2022)
4Springer Nature Limited, aufrufbar unter: https://www.nature.com/articles/s41598-021-92067-5, (aufgerufen im Juli 2022)
5Public Library of Science (PLOS), aufrufbar unter: https://journals.plos.org/plosntds/article?id=10.1371/journal.pntd.0009414, (aufgerufen im Juli 2022)
6Madsack Travel GmbH & Co. KG, aufrufbar unter: https://www.reisereporter.de/artikel/6365-tollwut-in-diesen-laendern-ist-die-gefahr-am-groessten-urlauber-stirbt-nach-katzenbiss-in-marokko (aufgerufen im Juli 2022)
7Institut für Virologie und Immunologie (IVI), Jahresbericht der Schweizerischen Tollwutzentrale 2021, aufrufbar unter: https://www.ivi.unibe.ch/unibe/portal/fak_vetmedizin/b_dept_infdipath/inst_ivv/content/e236965/e237249/files1171125/Ja21TWBKWebA_ger.pdf, (aufgerufen im Juli 2022)
8Bundesamt für Gesundheit Schweiz (BAG), Arbeitsgruppe Tollwut, Eidgenössische Kommission für Impffragen. Prä- und postexpositionelle Tollwutprophylaxe beim Menschen, BAG Bulletin 15, (aufgerufen im April 2022)