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Grossstadt – Steppe – Hochland: via London, Mongolei und Äthiopien zurück im Bernbiet am IVI

Interview mit Barbara Wieland, Institutsleiterin, Institut für Virologie und Immunologie IVI.

Redaktion SAT: Im Mai haben Sie die Leitung des Institutes für Virologie und Immunologie IVI übernommen. Die letzten 15 Jahren haben Sie in England, der Mongolei und in Äthiopien gelebt und in vielen anderen Ländern gearbeitet. Was haben Sie aus dieser Zeit zurück in die Schweiz genommen?
Neben Kunstwerken, einer Katze aus der Mongolei und einem Hund aus Äthiopien habe ich unendlich viele Eindrücke und Erfahrungen zurückgebracht, die hoffentlich für meine Arbeit am IVI von Nutzen sein werden. Durch meine Arbeit war ich sowohl in lokalen wie auch internationalen Projekten im Bereich Epidemiologie von Tierseuchen und Zoonosen tätig. In diesen Projekten wurde oft mit systemischen Ansätzen gearbeitet, dabei waren Interdisziplinarität, Nachhaltigkeit und das Erkennen von Zusammenhängen natürlich wichtig. Zum Beispiel haben wir in Äthiopien neue Wege gesucht um den Zugang zu Veterinärdiensten und Tierarzneimitteln für Männer und Frauen fair und nachhaltig zu gestalten, damit endemische Krankheiten weniger Schaden anrichten. In Kenia sind wir mit Hirten Ursachen von Akarizidresistenzen angegangen, die die Eindämmung von zeckenübertragenenen Krankheiten erschwerten, oder in Uganda haben wir für Bauern und Bäuerinnen Ausbildungen in Biosicherheit etabliert um ihre Betriebe vor der Afrikanischen Schweinepest zu schützen. Andererseits gab es auch politikrelevante Themen. So war ich in internationalen Gremien tätig um die globale Ausrottung von der Pest der kleinen Wiederkäuer (Peste des petits ruminants) voranzutreiben, oder in der Mongolei haben wir mit dem Veterinäridienst eine Strategie für die Kontrolle von Maul- und Klauenseuche erarbeitet.

Viele SAT Leserinnen und Leser kennen das IVI wahrscheinlich vor allem in seiner Funktion während Seuchenausbrüchen, durch die Arbeit der Schweizerischen Tollwutzentrale oder für die Zulassung und Kontrolle von Impfstoffen. Wie würden Sie die Aufgaben des IVI erklären?
Der Aufgabenbereich des IVI ist in der Tat sehr vielfältig und kann in die Hauptthemen Diagnostik, Impfstoffkontrolle, Forschung, und Lehre/Ausbildung gegliedert werden. Dank unserer Infrastruktur mit einem Hochsicherheitslabor und der Kooperation mit der Vetsuisse Fakultät der Uni Bern, spielen wir in den verschiedenen Phasen der Kontrolle und Prävention von viralen Tierkrankheiten und Zoonosen eine wichtige Rolle. Da geht es erstmal darum zu erkennen, welche Viren gefährlich sind oder werden können, da denke ich zum Beispiel an das Japanese Encephalitis Virus, das es bei uns noch nicht gibt, aber in Zukunft auch hier auftreten könnte. Unsere Forschung befasst sich mit neuen und altbekannten Erregern, zum Beispiel arbeiten wir an Pestiviren oder an der Afrikanischen Schweinepest. Erkenntnisse aus der Forschung ermöglichen die Entwicklung von Methoden die für die Kontrolle nötig sind, und so die Prävention, Kontrolle oder Ausrottung von Erregern unterstützen – was natürlich das ultimative Ziel unserer Arbeit ist. Etwas, was dabei wenig wahrgenommen wird, ist unsere Pflicht vorausschauend zu arbeiten und Expertise auf Krankheiten aufzubauen, die noch nicht bei uns sind oder neu auftreten können, um so im Notfall rasch und kompetent reagieren zu können. Das heisst, wir müssen am Puls bleiben und unsere Expertise entsprechend anpassen. Das passiert sowohl in der Forschung als auch in der Diagnostik und mit Hilfe von nationalen und internationalen Netzwerken.

Und dann ist da natürlich auch der zentrale Aufgabenbereich des IVI – als nationales Referenzlabor für hochansteckende und andere wichtige virale Erreger unterstützen wir den Veterinärdienst während Seuchenausbrüchen und in Kontrollprogrammen. Oft nicht wahrgenommen, aber nicht weniger wichtig für die Zukunft, ist unsere Aufgabe der Lehre in Virologie und Immunologie an der Vetsuisse Fakultät, inkl. die Betreuung von Master und PhD Studenteninnen und Studenten. Auch in der Diagnostik ist die Ausbildung wichtig, sei das in beratender Funktion von anderen diagnostischen Laboratorien oder des Veterinärdienstes, oder durch die Ausbildung von Laborantinnen und Laboranten.

Wo sehen sie die grossen Herausforderungen für das IVI?
Das IVI ist und bleibt ein wichtiger Teil in der Kontrolle von viralen Tierkrankheiten und Zoonosen. Als einzige Institution in der Schweiz, die mit hochansteckenden Tierseuchen arbeiten kann, bleiben diese Themen ein Schwerpunkt und wir bauen da auf bestehende Expertise auf. Es ist aber auch wichtig das Bewusstsein zu fördern, welche Gefahren von diesen hochansteckenden Seuchen für die Nutztierhalter/innen ausgehen. Als «Hochgesundheits-Land», wurde die Schweiz in den letzten Jahren von schweren Seuchenausbrüchen zum Glück verschont, aber man muss auf der Hut bleiben.

Andererseits werden neuauftretende Erreger immer wie wichtiger, also müssen wir am IVI unsere Aktivitäten bei Bedarf rasch anpassen können. In der Coronapandemie konnten wir das gut aufzeigen. Innert kürzester Zeit waren wir in der Lage, verschiedene neue Projekte zu starten und konnten so wesentlich zu Neuerkenntnissen zur Pathogenese und Immunologie von Sars-CoV-2 beitragen. Gesellschaftlich hat die Pandemie aber auch klar aufgezeigt, wie wichtig es ist, interdisziplinär zu arbeiten. Nicht nur an der Schnittstelle der Gesundheit von Menschen und Tieren, sondern auch durch den Einbezug von Sozial- und Umweltwissenschaften, um Krankheiten zu kontrollieren und neuauftretende zu verhindern. Daher verpflichten wir uns am IVI dem One-Health-Ansatz und leisten dank Interdisziplinarität unseren Beitrag an der Erforschung von Infektionserregern und den Krankheiten, die sie verursachen. Da es schwierig ist vorauszusagen, von welchen Erregern und von welchen Tierarten in Zukunft die Gefahren ausgehen werden, sind von unserer Seite viel Flexibilität und Anpassungsvermögen nötig.

Eine andere grosse Herausforderung stellt sich durch die sich wandelnden gesellschaftlichen Werte und Erwartungen, zum Beispiel im Bereich Tierversuche. So sind wir bestrebt, Tierversuche soweit als möglich zu minimieren und nach dem 3R-Prinzip (Replace, Reduce, Refine) mit gutem Beispiel voranzugehen.

Dann sind da natürlich auch die technischen Fortschritte und die Digitalisierung. Während Neuerrungenschaften die Arbeit vereinfachen können, müssen wir dauernd investieren, um am Ball zu bleiben, und das bringt Herausforderungen wie zum Beispiel noch nie dagewesene Datenmengen.

Worauf freuen Sie sich besonders?
Wir haben sicher herausfordernde, aber auch äusserst spannende Zeiten vor uns. Das IVI ist gut aufgestellt mit einem idealen Mix von Mitarbeitenden mit sich ergänzender Expertise. Und wir haben die nötige Infrastruktur um unsere Arbeit erfolgreich zu machen. Daher freue ich mich darauf, aktuelle Themen zu vertiefen und neue Themen für das IVI mit viel Interesse und Entschlossenheit anzugehen – zum Schutz von Mensch und Tier vor viralen Krankheiten, heute und morgen.
 
Herzlichen Dank für das Interview, Frau Wieland, und viel Energie, Freude und Erfolg bei Ihren neuen Aufgaben am IVI.

Bild: Barbara Wieland
(©Christoph Ruckstuhl/NZZ)
Bild: Bäuerin in Äthiopien unterwegs mit ihren Schafen zum Impfen.
(©Barbara Wieland)