Vet-Info
Eröffnung des Maultier-Museum Schweiz in Törbel (VS)
Museen dienen dazu, die heutige und künftige Generationen mit unserer Kultur vertraut zu machen und das Verständnis für Entwicklungen in einer immer komplexer werdenden Gesellschaft zu fördern. In Anbetracht dessen, dass sich die Equiden in unserer Kulturgeschichte über Jahrtausende als aussergewöhnlich wertvolle Partner für uns erwiesen haben, ist es sicherlich angezeigt, auch an deren Leistungen zu erinnern.
Diese sind weitaus bedeutender als beispielsweise die Nutzung von fossilem Brennstoff für ein knappes Jahrhundert, die überdies grosse Fragen für die Zukunft schuf. Unter den Equiden haben dabei vor allem die Esel und Mulis (Maultiere und Maulesel) die schwerste Arbeit und erst noch unter oft schwierigsten Bedingungen geleistet.
Interessengemeinschaft Maultier
In Anbetracht dieser Fakten wurde vor etwas mehr als 30 Jahren in unserem Land die Interessengemeinschaft Maultier (IGM) geschaffen, wobei sich dafür erfreulicherweise vor allem Tierärztinnen und Tierärzte engagiert hatten. Zusammen mit zwei Vertretern aus der Armee (Oberpferdarzt Brigadier Alfred Krähenmann und Franz Edler von Rennenkampf von der Gebirgstragtierkompanie in Bad Reichenhall) war es auch dank Oscar Zürrer möglich, 1989 an der OFFA in St. Gallen die IGM zu gründen. Dabei wurde schon früh der Wunsch laut, mit der Gründung eines Museums den Mulis die ihnen zustehende Ehre zu erweisen.
Eine Stallscheune als Museum
Zuerst fand die IGM Unterschlupf im Ballenberg, und in der Folge zeichnete sich die Möglichkeit ab, diesen Hybriden im Wallis ein eigenes Museum zu schaffen – dort wo sie die grösste Bedeutung hatten. Die erste Sitzung dafür fand 2007 statt, und es bedurfte dann einiger Jahre, um die Pläne realisieren zu können. Überaus enttäuschend war dabei vor allem die Entscheidung der dortigen kantonalen Kommission für Kulturerbe, dass das Maultier im Wallis nicht als Kulturgut gelte. Geisendorf (1941) und Zumtaugwald (1944) hatten in kritischen Jahren hierzu zwar weit sachlichere Ansichten, und diese wurden zum Glück auch von vielen Sponsoren und Organisationen geteilt. Damit wurde die Schaffung eines Museums doch möglich. Entscheidend dafür war das freundliche Entgegenkommen mehrerer Gönnerfamilien in Törbel, welche der Stiftung Maultier Museum Schweiz eine ca. 350-jährige Stallscheune schenkten. Diese wurde dank vielen hilfsbereiten und grosszügigen Leuten sowie nahezu 200 000 Fr. umfassend saniert und kann nun selber auch als Museumsobjekt dienen. Am 31. Juli 2021 wurde das Museum offiziell eröffnet und kann nun von jedermann besucht werden, sowohl individuell oder im Rahmen eines Freilichtmuseums-Rundganges (siehe Kasten).
Dokumentsammlung über Maultiere und Maulesel
Der zur Verfügung stehende Platz in der ehemaligen Stallscheune ist relativ bescheiden und es kann jeweils nur ein Teil vom vorhandenen Material ausgestellt werden. Bedeutend dürfte jedoch sein, dass auch ein beachtliches Archiv mit Dokumenten besteht, in welchem über 3000 Titel aufgelistet sind, die im Internet abgerufen werden können (www.maultier-museum.ch/bibliothek). Diesen Belangen wird grösste Aufmerksamkeit geschenkt, bedingt durch verschiedene Entwicklungen in jüngerer Zeit. Einerseits wird zurzeit fleissig Gletscherarchäologie betrieben, und bei dieser Gelegenheit wurde zum Beispiel im Sommer 2013 auf dem oberen Theodulgletscher das komplette Skelett eines Maultiers gefunden (Fink 2015). Ebenso intensiv forschen heute auch die Genetiker, und bei den Untersuchungen über das «Management von Pferden in fünf Jahrtausenden» stiessen die Forscher bei ihrem archäologischen Material auch auf 27 Proben von Maultieren (Fages et al. 2019). Damit konnten sie beweisen, dass das Maultier schon in der La-Tène-Zeit, also schon in der vorrömischen Zeit, in Mitteleuropa vorkam; dies entspricht dem Fund eines keltischen Packsattels in La-Tène selber (Marin NE) (Müller-Lhotska 1984, Kaenel 2014).
Schliesslich finden die Mulis heute auch Interesse in der Humanmedizin, wo die Erforschung von genetischen Belangen eine grosse Rolle spielt; dafür eignen sich Hybriden natürlich bestens (Rokas et al. 2020).
In der Literatur zur Geschichte des Maultiers erinnern wir uns selbstverständlich auch an ein Zitat von Riley (1867):
«There is no more useful or willing animal than the mule. And perhaps there is no other animal so much abused, or so little cared for.»
Diese Aussage ist auch heute noch gültig (Ali et al. 2019) und diesen Problemen widmete sich das Museum ebenfalls.
Hanspeter Meier
«Wer Maultiere beobachten Gelegenheit fand, der hat sie auch schätzen gelernt.»
Schwyter, 1908
Kontakt «Urchigs Terbil»
Corinne Juon
Telefon für Führungen: +41 75 421 11 68
info@urchigs-terbil.ch
www.urchigs-terbil.ch
Literatur
Ali A.B.A., El Sayed M.A., McLean A.K., Heleski C.R. (2019): Aggression in working mules and subsequent aggressive treatment by their handlers in Egyptian brick kilns – Cause or effect? Journal of Veterinary Behavior 29, 95-101
Fages A., Hanghøj K., Khan N. et al. (2019): Tracking Five Millennia of Horse Management with Extensive Ancient Genome Time Series, Cell, https://doi.org/10.1016/j.cell.2019.03.049
Fink C. (2015): Geschichte aus dem Tiefkühler. http://www.nzz.ch/geschichte-aus-dem-tiefkuehler-ld.2908
Geisendorf A.L. (1941): L’élevage du mulet en Suisse. Travail de diplôme, Section d’Agriculture de l’Ecole Polytechnique Fédérale, Semestre d’été (Dipl_LW_665)
Kaenel G. (2014): Tène, La (archäologischer Fundort), in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 19.02.2014, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/012555/2014-02-19/
Müller-Lhotska U.A. (1984): Das Pferd in der Schweiz, von der Prähistorie bis zum ausge-henden Mittelalter. phil I Dissertation, Zürich
Riley H. (1867): The Mule – A Treatise on the Breeding, Training, and Uses to which he may be put. Dick & Fitzgerald Publishers, New York
Rokas A., Mesiano S., Tamam O., La Bella A., Zhang G., Muglia L. (2020): Developing a theoretical evolutionary framework to solve the mystery of parturition initiation. eLife 2020;9:e58343
Schwyter H. (1908): Über Druckschäden bei den Reit-, Zug- und Basttieren der Armee,Verlag von Stämpfli & Cie. Bern
Zumtaugwald K. (1944): Der heutige technische und wirtschaftliche Stand der Walliser-Maul-tierzucht und ihre zukünftige Förderung im Dienste der Walliser-Landwirtschaft und der schweizerischen Armee. Diplomarbeit ETH, Abteilung für Landwirtschaft