Briefe an die wissenschaftliche Redaktion

Dr. Irene Schlingensiepen

14. Januar 2021

Sehr geehrter Herr Kollege Steinmetz!

Der Artikel von Weiermayer, Frass, Peinbauer und Ellinger ­berichtet fundiert über den Forschungsstand in der Homöopathie, aber auch über die ungewöhnlich polemische Debatte, die derzeit durch fachfremde Wissenschaftler und durch ­organisierte Skeptikerverbände zur Homöopathie ausgelöst wird.
 
Ein Schwerpunkt des Artikels ist das Problem der Antibiotikaresistenzen in Tierzucht und Klinik. Sie gehört in folgenden Kontext:
Alleine in Deutschland sterben laut Bericht der ZEIT 13,5 Millionen Schweine pro Jahr im Stall.
 
Die deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene und die ­Charité berichten in den letzten Jahren über 900 000 Krankenhausinfektionen pro Jahr in Deutschland und einer Todesrate zwischen 20 und 40 000.1
 
Es ist in diesem Kontext wirklich wichtig, dass der Artikel die vergleichende Studienlage zur homöopathischen Therapie ausleuchtet. Fragwürdig ist der Kommentar der Kollegen der Universität ­Zürich zur Studie von Cammerlink et al. Entweder sind sie fachfremd, oder sie gehen allzu leichtfertig mit wissenschaftlichen Publikationen um, die ihre persönliche Anschauung hinterfragen:
 
Tatsächlich zeigt ihre Publikation folgendes eindrucksvolle Ergebnis (Abbildung 1).

Auch die Formulierung aus der Studie von Linde et al. wurde aus dem Zusammenhang gerissen. Exakt lautet sie:
Interpretation: The results of our meta-analysis are not compatible with the hypothesis that the clinical effects of homeopathy are completely due to placebo. However, we found insufficient evidence from these studies that homeopathy is clearly efficacious for any single clinical condition. Further research on homeopathy is warranted provided it is rigorous and systematic.

Tatsächlich hat sich das Niveau der homöopathischen Forschung seit der Veröffentlichung von Linde seit der Jahrtausendwende und insbesondere in den letzten 10 Jahren deutlich verbessert. Das gilt übrigens auch für viele konventionelle medizinische Studien.
 
Die Akademie Wissenschaftliche Orientierte Homöopathie stellt strenge wissenschaftliche Massstäbe. Wir haben Michael Frass, Thomas Peinbauer und Liesbeth Ellinger wegen ihrer herausragenden Qualitäten in Forschung und moderner Lehre der Komplementär-Medizin berufen. Wir kennen ihre Forschungs-Arbeiten detailgenau aus unserer Tagungsarbeit. Auch Petra Weiermeyer schätzen wir in ihrer exakt ausgerichteten Arbeit. Wir möchten daher ermutigen, solche fundierten Beiträge, die ein Licht auf die Forschung wie auf die aktuelle Debatte werfen, weiter für Ihre Leser zur Verfügung zu stellen und die Diskussion so zu vertiefen und zu beleben. ­Versuche, die Publikation von Artikeln zu diskreditieren, die einen fundierten Peer-Review-Prozess durchlaufen haben, unterminierten – wenn sie je gelängen – die Qualität ebenso wie die inhaltliche Unabhängigkeit einer seriösen Zeitschrift, die der Wissenschaft und dem Geist der Erkenntnistheorie verpflichtet ist. Gute Wissenschaft kann und soll fair geführte Kontroversen aushalten und nutzt oft genau diese Anregung, um neue Experimente zu ersinnen.

In diesem Sinn danken wir für ihre unvoreingenommene und wissenschaftsfördernde Offenheit

Abendgrüsse aus Berlin

Dr. Irene Schlingensiepen   
1. Vorstandsvorsitzende
Akademie Wissenschaftliche Homöopathie

Abbildung 1
Abbildung 2: Coli 30K versus placebo

1Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene schätzte 2015 aus den ihr vorliegenden Daten die Inzidenz nosokomialer Infektionen mit resistenten Krankenhauskeimen in deutschen Krankenhäusern auf über 1 000 000, mit einer Sterberate von über 30 000 Patienten. «Letales Risiko durch nosokomiale Infektionen», Hygienetipp der DGKH, Dezember 2015