Journal Schweiz Arch Tierheilkd  
Verlag GST  
Heft Band 159, Heft 3,
März 2017
 
ISSN (print) 0036-7281  
ISSN (online) 1664-2848  
online seit 02 März 2017  
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NetAP-Einsatz in Rumänien

Gemeinsam mit ihren rumänischen Kolleginnen und Kollegen sorgen die NetAP- Tierärzte für eine nachhaltige Verbesserung der Lebenssituation von Hunden und Katzen in Westrumänien.

Seit im Herbst 2013 ein «Tötungsgesetz» eingeführt wurde, schaut die Welt nach Rumänien und ist entsetzt über das Leid und Elend der Tiere. Trotz der grossen Bemühungen zahlreicher Tierschutzorganisationen hat sich bis heute an der Situation nicht viel geändert. Zahlreiche neue Tierheime wurden zwar errichtet, doch diese sind bereits wieder hoffnungslos überfüllt. Die sozialen Medien sind voll von traurigen Geschichten und Schicksalen, und Tötungsaktionen sind immer noch vielerorts an der Tagesordnung.

Armut und Korruption als Ursprung des Hundeelends

Das Hundeelend hat seinen Ursprung vor allem in der Armut der Bevölkerung. Viele Menschen halten sich zwar Haustiere, können sich jedoch mit ihrem geringen oder gar fehlenden Einkommen keine Kastration leisten. Sie setzen deshalb unerwünschten Nachwuchs einfach auf die Strasse aus oder bringen ihn in eines der Tierheime, die nur selten den Namen «Heim» wirklich verdienen. Viele staatliche und auch private Tierheime gleichen primitivsten Massenlagern, wo die Tiere in engen Kennels vor sich hinvegetieren.

Während staatliche Tierheime zwar Geld hätten, dieses aber allzu oft in den Taschen korrupter Behörden und Politiker verschwindet, kämpfen viele private ums nackte Überleben, weil sie keinerlei staatliche Unterstützung bekommen und der Spendenmarkt hart umkämpft ist. Und ständig werden neue Tierheime errichtet, um die Flut an Hunden zu beherbergen. Über 80% der Spendengelder für rumänische Strassenhunde, so schätzt man, fliessen in den Bau oder die Betreibung von Tierheimen. Das stellt einmal mehr Symptom- statt Ursachenbekämpfung dar. Denn am Elend der Tiere ändert dies wenig, weil der laufende Nachschub aus den Privathaushalten dadurch ungebrochen bleibt. Aber genau dieser muss gestoppt werden, damit sich die Situation der Tiere nachhaltig verbessern kann.

NetAP gründet Kastrationsklinik

Die schweizer Tierschutzorganisation NetAP – Network for Animal Protection – hat deshalb im Herbst 2015 eine Kastrationsklinik in Timisoara eröffnet. Timisoara ist die drittgrösste Stadt Rumäniens und liegt im Westen des Landes. Auch Timisoara war früher wegen gross angelegter Tötungsaktionen an Hunden oft in den Schlagzeilen. Über 40% der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze, dennoch gehört die Haltung von Hunden und Katzen zum Alltag der Menschen. Das von NetAP zusammen mit der lokalen Tierschutzorganisation Pet Hope ins Leben gerufene Sozialprogramm «SET – Sterilizam si Educam pentru Timisoara» (Kastration und Aufklärung in Timisoara) setzt deshalb hier an und ermöglicht es mittellosen Tierhaltern, ihre Vierbeiner in der neuen Praxis kostenlos kastrieren zu lassen.

Das Programm stösst in der Bevölkerung von Anfang an auf grosses Interesse und Anerkennung. Die Praxis ist jeden Tag voll. Das lokale Team unter der Leitung der rumänischen Tierärztin Dr. Noemi Kiss führt nicht nur Kastrationen und Notfallbehandlungen durch, sondern unterstützt auch lokale Tierschützer und Tierheime in der medizinischen Versorgung von herrenlosen Patienten. 2016 wurden so über 3000 Hunde und Katzen kastriert. Davon waren etwa 80% der Patienten weiblich, denn die mehrheitlich katholische Bevölkerung konnte von der Kastration von Katern und Rüden noch nicht so ganz überzeugt werden.

Aber nicht nur in Timisoara betreibt NetAP ein Sozialprogramm. Auch in der Kleinstadt Lugoj profitieren von Armut betroffene Tierhalter von Gratis-Kastrationen. Dr. Marius Ragobete führt dort diese in seiner Praxis durch; weit über 600 Operationen waren es im letzten Jahr.

Erfahrene Schweizer Kolleginnen und Kollegen helfen den Tierärzten in Rumänien

Unterstützung erhalten die rumänischen Tierärzte regelmässig durch Schweizer Kollegen. In Intensivwochen werden ganze Tierheime durchkastriert oder in Dörfern ausserhalb der Städte Aktionen durchgeführt, damit auch die weiter entfernten und oft nicht mobilen Tierhalter erreicht werden können. Dabei gibt es einen regen Erfahrungsaustausch zwischen den Fachkräften, und immer wieder wird die Gelegenheit genutzt, junge rumänische Veterinäre zu schulen, damit sie diese wichtige Arbeit auf einem hohen Niveau weiterführen können. Denn die Ansprüche von NetAP an die Tierärzte sind hoch. So muss sich jeder auch unter erschwerten Bedingungen an die Richtlinien der Organisation halten. Diese beinhalten Narkoseprotokolle, Hygienevorschriften, Operationstechniken und vieles mehr. Schliesslich will man jedem Tier die optimale Versorgung zukommen lassen.

So ist beispielsweise Dr. Susanna Käppeli aus Interlaken regelässig für NetAP im Einsatz in Rumänien. Sie tut dies aus Überzeugung. «NetAP setzt auf Nachhaltigkeit und Zusammenarbeit mit den lokal betroffenen Menschen, sei es in der Schweiz oder im Ausland. Hierfür ist die Arbeit in Rumänien ein sehr gutes Beispiel», begründet die Inhaberin der Tierklinik Interlaken ihr Engagement. Und sie führt weiter aus: «Ich war von Anfang an involviert in den Aufbau der Klinik in Rumänien und stehe das ganze Jahr über mit Rat und Tat zur Seite. Es macht sehr viel Freude, die positive Entwicklung zu sehen, und das investierte Herzblut und der grosse Einsatz, der dort tagtäglich geleistet wird, verdienen grossen Respekt!»

Dies kann auch Dr. Mirella Pirovino bestätigen. Sie war im letzten November das erste Mal zwei Wochen vor Ort im Einsatz, und «bestimmt nicht das letzte Mal», wie sie sagt. «Der ungeheure Einsatz der lokalen Leute, sich für die Tiere in Not einzusetzen, haben mich tief beeindruckt. Es gibt keinen Feierabend oder Pausen, sie sind ständig bereit, wenn ein Tier Hilfe benötigt. Es ist wirklich ihre Lebensaufgabe, die Situation der Strassentiere in Rumänien nachhaltig zu verbessern. Dabei werden keine Abstriche gemacht, jedes einzelne Tier zählt und es wird alles Menschenmögliche gemacht, um jedem zu helfen.» Begeistert war Mirella Pirovino auch vom grossen Netzwerk rund um die NetAP-Klinik. Es finden sich immer lokale Menschen, die bereit sind, ein Tier vorübergehend aufzunehmen und zu pflegen, nachts auszurücken, um bei einer Bergung zu assistieren, oder in der Klinik zu helfen, wenn Not am Tier ist. Traurig hingegen haben sie die Zustände in den Tierheimen gemacht, und sie ist froh, dass bereits im April wieder ein Grosseinsatz stattfinden wird mit dem Ziel, in einem der privaten Tierheime sämtliche 160 teilweise überängstliche Hunde zu kastrieren.

Gemeinsam, vernetzt, professionell, nachhaltig

Auch für Dr. Julie Schwechler sind Einsätze in Rumänien selbstgewähltes Pflichtprogramm. Ihre Kastrationstechnik durfte sie in einem rumänischen Trainingscamp bei Dr. Aurelian Stefan verbessern. Sie liebt das Land und die Leute und ist überzeugt davon, dass nur solch umfangreiche Kastrationsprogramme, wie NetAP sie durchführt, die traurige Situation der Strassentiere langfristig verbessern kann. Vor allem aber der Austausch untereinander, sei dies mit anderen NetAP-Tierärzten oder mit lokalen Veterinären, schätzt die engagierte junge Tierärztin. Dies gefällt auch einem alten Haudegen wie Dr. Bernhard Stähelin, dem es grosse Freude bereit hatte, bei einem Einsatz einige junge Kollegen in modernere und schonendere Kastrationstechniken einzuführen.

Viele erfahrene Schweizer Tierärzte stehen regelmässig für NetAP im Einsatz, um ihren rumänischen Kollegen zu helfen, rasch eine grössere Anzahl an Tieren kastrieren zu können, junge rumänische Veterinäre auszubilden, Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam gegen das Tierleid anzukämpfen. Gemeinsam, vernetzt, professionell, nachhaltig – die Schlüsselwörter für den Erfolg.

Jahrelang blieben die Tore zum privaten Tierheim einer alten Frau verschlossen. Dr. Noemi Kiss gewann ihr Vertrauen und kann im April zusammen mit Schweizer Kollegen alle 160 Hunde kastrieren.
Das NetAP-Sozialprogramm ermöglicht von Armut betroffenen Menschen die kostenlose Kastration ihrer Vierbeiner.
Dr. Julie Schwechler intubiert ihren nächsten Patienten. Das Intubieren gehört auch bei Massenkastrationen zum Programm.
Den Kastrationsprogrammen gehen oft intensive Gespräche mit Lokalpolitikern voraus, um alle Parteien von der Wichtigkeit dieser Mission zu überzeugen.
Die Schulung von lokalen Tierärzten gehört ebenso zum Programm. Die einheimischen Fachkräfte sollen die Programme im Sinne von NetAP weiterführen können.
Hand in Hand arbeiten die Tierärzte von morgens früh bis abends spät um zukünftiges Leid zu verhindern.

Die Tierschutzorganisation NetAP sucht Verstärkung. Sie sind ein erfahrener Veterinär mit Affinität zum Tierschutz und möchten sich im In- und Ausland ehrenamtlich für Tiere einsetzen, junge Kollegen schulen und mithelfen, die Lebensbedingungen der Tiere zu verbessern? Dann melden Sie sich über info@netap.ch.

2016 hat NetAP weltweit über 18‘000 Kastrationen verzeichnen können. Dies ist nur möglich dank der ehrenamtlichen Tätigkeit zahlreicher Tierärzte und Spenden.

Spendenkonto: IBAN: CH52 0900 0000 8578 8418 5

Text: Esther Geisser, Präsidentin und Gründerin NetAP.

 
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