Journal Schweiz Arch Tierheilkd  
Verlag GST  
Heft Band 158, Heft 9,
September 2016
 
Thema Zum 60. Geburtstag von Prof. Dr. Claudia Reusch  
ISSN (print) 0036-7281  
ISSN (online) 1664-2848  
online seit 02 September 2016  
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Gespräch

Gespräch mit Urs Imhof

«Ich suchte überall Hufeisen»

Urs Imhof ist 80-jährig und lebt in Kerzers, wo er Landtierarzt war. Als Hobby betreibt er Archäologie: Er wertete Tierknochen aus, die bei Ausgrabungen gefunden wurden. Anschliessend spezialisierte sich Urs Imhof auf die Datierung von Hufeisen aus archäologischen Grabungen.

Ich bin in Kerzers mit drei Brüdern und einer Schwester aufgewachsen. Bereits während des Tierarztstudiums in Bern habe ich mich auch für die Archäologie eingeschrieben. Ihr galt mein Interesse, seit ich nach der Matura auf einer Wanderung im Bündnerland durch Zufall auf eine Equipe gestossen war, die im Unterengadin eine alpine Höhensiedlung ausgrub – eine Sensation zu dieser Zeit. Ich durfte einige Tage mitarbeiten. In den letzten Semestern des Studiums besuchte ich aus diesem Grund die Basisvorlesungen in Ur- und Frühgeschichte und soweit möglich Praktika. Nach Abschluss des Studiums nahm ich an Archäologie-Seminarien teil. An einem dieser Anlässe war es, dass mich Professor Bandi darauf aufmerksam machte, dass man ausgegrabene Hufeisen nicht datieren kann. «Übrigens, Imhof, ist es noch immer nicht möglich, das Alter von Hufeisen zu bestimmen», sagte er. Das war eine grosse Lücke, da vor allem bei Burgengrabungen häufig Hufeisen zum Vorschein kamen.

Professor Bandi wusste, dass wir uns damals in der Klinik fast ausschliesslich dem Pferd widmeten. In unserem Studium erlernten wir noch den Hufbeschlag in Theorie und Praxis. Denn beim Bewegungstier Pferd sind sein höchstes Gut die Gliedmassen mit den Hufen. Ein guter Beschlag ermöglicht die Korrektur mancher Krankheit, ein schlechter ist der Grund vieler Lahmheiten. Weitere praktische Erfahrung sammelte ich beim Abverdienen in der Hufschmiederekrutenschule und den Wiederholungskursen in der Kavallerie und dem Train. Nach meiner Assistenzzeit in mehreren Tierarztpraxen übernahm ich 1965 die Landpraxis meines Vaters. Soweit es Familie und Beruf erlaubten, beschäftigte ich mich in der Freizeit mit der Hufeisen-Datierung. Ich las die Literatur der verschiedensten Länder, die sich mit diesem Thema befasste und Grabungsberichte aus der Schweiz, besonders von Burgengrabungen, und verwertete die abgebildeten Hufeisen.

Zudem suchte ich überall Hufeisen, wenn es die Zeit erlaubte, auch auf den Stallfenstersimsen meiner Kunden. Bevor ich mich aber der Datierungsfrage der Hufeisen widmen konnte, habe ich noch bei der Auswertung von bei archäologischen Grabungen gefundenen Tierknochen mitgearbeitet. So half ich bei der Bestimmung von Tierknochen, die bei Pfahlbaugrabungen an den Juraseen gefunden wurden und bei den zwei Latène-Brücken, die bei der zweiten Juragewässerkorrektion zum Vorschein kamen. Diese Arbeiten vermittelten mir nützliche Grunderkenntnisse für die Beschäftigung mit den Hufeisen.

Denn die wichtigste Frage lautete: Was ist am Hufeisen wichtig für die Datierung? In Unkenntnis der Antwort habe ich bei jedem Hufeisen möglichst viele Masse abgenommen und es 1:1 abgezeichnet. Steckten Nägel im Hufeisen, wurden auch diese ausgewertet. Bis vor hundert Jahren wurden die Nägel noch von Hand gemacht. Es gab so genannte Nagelschmiede. Das waren oft Wanderburschen, die vorbeikamen, die haben dann ein paar Tage Nägel geschmiedet, und der Schmied hatte wieder Reserven.

Es ist sehr schwierig, datierende Einzelheiten zu finden. Nach meinen bisherigen Erkenntnissen gab es zirka jedes Vierteljahrhundert Änderungen und somit rund 40 verschiedene Hufeisentypen vom Jahr 1000 bis heute. Dies war jedoch eine provisorische Annahme. Auf dieser Annahme basierend, erstellte ich einen Schlüssel zur Datierung gefundener Hufeisen. Aus einer Korrespondenz mit amerikanischen Forschern habe ich erfahren, dass ich anscheinend der einzige auf der Welt sei, der ein solches Datierungssystem entwickelt hat. Leider hat man bis heute keine chemische oder physikalische Methode gefunden, mit der man Eisen datieren kann, wie dies bei Holz und Knochen gelungen ist.

Ich habe herausgefunden, dass das Hufeisen im Gebiet des Schwarzen Meeres erfunden wurde. Der Zweck und effektive Nutzen hat immer gewechselt, anfänglich war das Hufeisen eine Art Platte. In den Kriegen dieser Zeit wurde versucht, mit dem Auslegen von Fussangeln die Pferde des Gegners lahm zu machen. Nun haben die Griechen bemerkt, dass sie mit der Hufeisenplatte unbeschadet durch solche Stellen reiten konnten. Im gebirgigen Griechenland waren die Hufeisen zudem auch ein guter Schutz vor der Abnutzung des Hufes.

Aus Gstaad hat mir jemand ein Hufeisen geschickt, das muss noch aus der Zeit der Kreuzzüge stammen, denn es ist ein Platteneisen. Die älteste Erwähnung des Hufeisens findet sich um 826 n. Chr. im Abgabenbuch im Kloster St.Gallen. Da wird festgehalten, dass zukünftig auch ein Hufeisen als Zahlung für den Jahreszins des Hofs angenommen wird. Es zeigt, dass Eisen damals sehr wertvoll war und als unverfälschtes Metall dem damals offensichtlich häufig gefälschten Geld vorgezogen wurde. Dies galt bis ins 15. Jahrhundert.

Warum das glückbringende Hufeisen verkehrt aufgehängt werden muss, hat folgenden Grund: Als Adelige das Hufeisen als ihr Wappenzeichen benutzten, verboten sie ihren Untertanen bei Strafe, das Hufeisen ebenfalls aufrecht am Haus anzubringen.

Das Hufeisen hat noch eine Überraschung zu bieten. Bei genauer Betrachtung eines Hufeisens erkennt man auf der Bodenseite des Schusses bei vielen einen fünfzackigen Stern. Dies ist ein Drudenfuss, das altgermanische Zeichen, das Unheil abwenden soll. Man findet diese Marke bei den Hufeisen ab Mitte 14 Jhd. bis 16. Jhd.

Es war nicht immer einfach, die Hufeisenforschung mit der Familie und mit meinem Beruf als Tierarzt zu vereinbaren. Wir hatten drei Kinder, unser ältester Sohn war im Rollstuhl und meine Frau musste sich hauptsächlich um ihn kümmern. Daneben verlangte die Praxis ihre Mithilfe. Glücklicherweise hatten wir einen Notfalldienst, so konnte ich Samstag und Sonntag die Praxis zwischendurch auch einmal schliessen. Diese gute Zusammenarbeit unter den Kollegen war nicht selbstverständlich.

Wenn ich zurückdenke, hat sich vieles verändert. Wir hatten ein einfaches Sprechfunksystem, Natel gab es noch nicht. So mussten die Bauern am Morgen jeweils bis 8 Uhr anrufen. Damit konnte man eine vernünftige Tour machen. Mein Praxisgebiet beschränkte ich auf die Distanz von zwei Ortschaften, dies aus rationellen Gründen. Der damalige Dorftierarzt konnte sich nicht auf einzelne Tierarten wie Pferde oder Kleintiere beschränken. Aus der Zeit der Berufstätigkeit behalte ich als schöne Erinnerung die Dankbarkeit der Kunden – das können nicht alle in ihrem Beruf geniessen.

Das Gespräch mit Urs Imhof wurde von Peter Glauser in Kerzers geführt.

Urs Imhof hat ein Datierungssystem für gefundene Hufeisen entwickelt.
Aufzeichnung des Platteneisens, das Urs Imhof aus Gstaad erhalten hat. Es stammt vermutlich aus der Zeit der Kreuzzüge.

Text: Annik Steiner, Verantwortliche Medien und Kommunikation auf der Geschäftsstelle GST.

 
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