Journal Schweiz Arch Tierheilkd  
Verlag GST  
Heft Band 158, Heft 5,
Mai 2016
 
ISSN (print) 0036-7281  
ISSN (online) 1664-2848  
online seit 02 Mai 2016  
SAT archive search
Extended search

Vet-Info

Impfen, entwurmen und überleben. Unser Einsatz im Südsudan.

Der Südsudan ist ein von Krisen geschütteltes Land. Es regnet stark und viel. Das Land wird regelmässig überflutet und die Ernte wird vernichtet. Krankheiten brechen aus. Nutztiere sterben und Menschen bekämpfen einander. In diesem Umfeld setzen sich die Teams von Vétérinaires Sans Frontières Suisse (VSF-Suisse) für die Hirtenvölker ein. Sie impfen und entwurmen Nutztiere, verteilen Milchgeissen und bilden fähige Personen zu Laientierärzten aus.

Drückende Hitze umgibt uns. Es fällt kein Regen, es weht kaum Wind. Es ist endlich Trockenzeit im Südsudan. Menschen und Tiere haben sich in Feldlager zurückgezogen. Wir besuchen eines davon in der südsudanesischen Provinz Upper Nile und treffen den dreifachen Familienvater Matthew Bul, der uns herzlich begrüsst: «Ich freue mich so, denn seit ihr das Projekt LERP durchführt, müssen meine Frau und meine Kinder nicht mehr bei anderen Familien um Milch betteln!» LERP steht für «Livestock Emergency Response Project in Greater Upper Nile States, South Sudan». VSF-Suisse implementiert dieses von USAID unterstützte Projekt gemeinsam mit den deutschen Tierärzten ohne Grenzen. Matthew führt uns durch das Feldlager und erklärt, wie es zum Start dieses Projekts gekommen ist: «Der Norden des Südsudans, gleich an der Grenze zum Sudan, wurde zwei Jahre lang von heftigen Regenfällen und Überflutungen heimgesucht. Wir konnten deshalb keinen Ackerbau mehr betreiben. Dazu kamen Konflikte und Überfälle, sodass wir in ständiger Angst gelebt haben. Nirgendwo haben wir uns mehr getraut, unsere Lager aufzuschlagen. Schliesslich haben unsere Kühe kaum mehr Milch gegeben und wir konnten weder unsere Tiere noch unsere Kinder ausreichend versorgen.»

Leben in Sorge um Tiere, Ernte und Sicherheit
Die Bevölkerung des Südsudans ist die am schnellsten wachsende der Welt. Die Hälfte der 12 Millionen Einwohner des erst fünf Jahre alten Staates sind Kinder. Ein Drittel der Kleinkinder leidet unter akuter Mangelernährung und 570 000 Kinder müssen als Waisen aufwachsen. 2.4 Millionen Menschen sind akut unterernährt, das ist ein humanitärer Notfall.

Früher, vor den Kriegs- und Krisenzeiten, lebte die ländliche Bevölkerung sehr gut vom Agropastoralismus, einer Mischung aus Hirten- und Nomadentum. Die Menschen bestellten Felder, lebten von der Ernte, konnten damit ihre Nutztiere versorgen und nahmen deren Produkte wie beispielsweise Milch und Eier regelmässig zu sich. Sie ernährten sich ausgewogen und im Einklang mit der Natur. Inzwischen haben nicht nur Naturkatastrophen das Überleben auf Basis des Agropastoralismus erschwert, sondern auch Konflikte und bewaffnete Kämpfe. Kam es vor einigen Jahren noch regelmässig zu Zusammenstössen an der Grenze zum Sudan, leidet die Bevölkerung des Südsudans nun unter innerstaatlichen Konflikten. Es kommt immer wieder zu Kämpfen der einzelnen Bevölkerungsgruppen untereinander, in denen es vorrangig um Macht- und Landansprüche geht. Die Provinz Upper Nile ist hiervon am schlimmsten betroffen. Aus Angst um ihr Leben können die Hirten nicht mehr weiterwandern und müssen in unfruchtbaren Gebieten ausharren.

Menschen wie Matthew und seine Familie sind jene, die zwar unbeteiligt an den Konflikten, jedoch von ihnen am meisten betroffen sind. Diese Menschen und ihre Nutztiere sind es, die VSF-Suisse am Herzen liegen und für die sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Feld Tag für Tag einsetzen.

Laientierärzte retten Tier- und Menschenleben
2015 besuchten im Südsudan 460 Personen die Laientierarzt- Kurse von VSF-Suisse. Dort konnten sie elementares Wissen über Tiergesundheit erwerben und sind nun in der Lage, Tierkrankheiten zu erkennen und entsprechend zu behandeln. Im Idealfall verabreichen sie Tierimpfungen und entwurmen die Tiere, sodass es gar nicht erst zum Ausbruch von Tierkrankheiten kommen kann.

Matthew Buls Augen strahlen, als er uns erzählt, dass sofort nach Projektbeginn seine Herde aufgestockt und alle seine verbliebenen Rinder von einem Laientierarzt geimpft und entwurmt wurden. «Seither ist keine einzige Kuh mehr verendet und eine meiner Kühe hat sogar ein Kalb bekommen!» Dadurch wurde es für Matthew und seine Familie möglich, endlich ausreichend Nahrung zu sich zu nehmen. Nicht nur in der Provinz Upper Nile, sondern auch weiter im Westen des Landes, in der gut 1300 km entfernten Provinz Unity sowie in den beiden 1600 km entfernten Bahr el Ghazal-Provinzen leben Hirten, die unter Ernährungsunsicherheit und Sicherheitsrisiken leiden. Dort nimmt VSF-Suisse im April 2016 die 2. Phase eines Projekts zur Verbesserung der Ernährungssicherheit der Bevölkerung auf, das vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDP unterstützt wird.

Das Ziel ist bei allen Projekten dasselbe: Den nutztierhaltenden Bevölkerungsgruppen zu Widerstandsfähigkeit und Selbsterhaltungsfähigkeit zu verhelfen. Mit geimpften, entwurmten Nutztieren und fähigen Personen, die zu Laientierärzten ausgebildet werden, kann es den Agropastoralisten des Südsudans gelingen, weiterhin im Einklang mit der Natur zu überleben. Das Oberhaupt eines Feldlagers formuliert es für uns so: «Die Rinder sind unsere mobile Küche. Wir haben Fleisch und Milch zu essen, egal wo wir uns befinden. Wenn aber die Tiere krank sind, ist plötzlich das ganze Feldlager krank!» Die Bewohner benötigen nicht viel mehr als körperliche Sicherheit und Ernährungssicherheit. VSF-Suisse unterstützt die Erfüllung dieser Bedürfnisse. Gesunde Tiere machen es möglich.

Text: Kerstin Köffel
Fotos: Tom Martin, martinandmartin.eu

Hirten aus der Region werden zu Laientierärzten ausgebildet.
Ein begünstigtes Kind mit einer von VSF-Suisse verteilten Ziege.
Ein südsudanesischer Laientierarzt versorgt ein Zebu mit einer lebenswichtigen Impfung.
 
TYPO3 Agentur