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Tierärzte im Feld: Der Kampf gegen Dürre und PPR

VSF-Suisse
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Schauplatz Äthiopien: Karge Landschaften. Vertrocknete Büsche. Herumliegende Tierkadaver. Eine katastrophale Dürre bedroht Menschen und Tiere, und die Kleinwiederkäuer-Pest befällt die Nutztiere der Nomaden. Die Teams im Feld leisten Nothilfe, Wiederaufbauarbeit sowie Entwicklungshilfe und arbeiten an der Ausrottung der Kleinwiederkäuer-Pest (PPR).

Nicole Litschgi ist Westafrika- und Äthiopienverantwortliche bei Vétérinaires Sans Frontières Suisse (VSF-Suisse). Im August reiste sie nach Äthiopien, um die dortige Situation unter die Lupe zu nehmen. Was sie vorfand, war schockierend! Obwohl Nicole seit Jahren in der Entwicklungshilfe arbeitet und die Lebensbedingungen der Menschen in den ärmeren Gebieten Afrikas mittlerweile gut kennt, hat sie eine solch katastrophale Situation, wie sie derzeit in Äthiopien herrscht, bisher selten gesehen. Von der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba reiste Nicole 600 km weit nach Jijiga, und von dort weitere 1100 km nach Gode. In der Siti-Zone der Somali-Region fand sie Dürre, Hunger, Krankheiten und verendete Tiere. Diese Lebensbedingungen zu verbessern ist die Mission von VSF-Suisse.

Nothilfe in der Siti-Zone

Mit fast 97 Millionen Einwohnern ist Äthiopien ein buntes Land mit vielschichtiger Bevölkerung. In Äthiopiens Somali-Region lebt das Volk der Somali mit seinen Tieren. Die Nomaden-Gemeinschaften leben von mobiler Viehzucht. Kühe, Schafe, Ziegen und Kamele reisen mit den Menschen von Wasserstelle zu Wasserstelle und ernähren sich von dem, was das Land hergibt. Seit einem Jahr herrscht jedoch eine katastrophale Dürre in der Siti-Zone im Norden der Region. Die Haupt-Regenzeiten sind in dem meisten Dörfern komplett ausgefallen. «Viele Tiere sind inzwischen selber aus der Gegend abgewandert. Die meisten der zurückgebliebenen Tiere sind verendet» erzählt Nicole erschüttert.

Dies ist eine lebensbedrohliche Situation für die Nomaden: Die Nutztiere erhalten zu wenig Futter und magern ab. Sie können somit kaum mehr Milch geben. Die Folge ist eine fürchterliche Mangelernährung der Nomadenkinder, die auf Milch angewiesen sind. Ausserdem können die Menschen mit den ausgemergelten Tieren nicht mehr handeln. Ihnen ist die komplette Lebensgrundlage entzogen.

In dieser dramatischen Situation braucht es die Unterstützung von Organisationen, die jahrelange Erfahrung in der Arbeit mit Nomadenvölkern haben. Man benötigt Feldmitarbeiter, welche die lokalen Sprachen sprechen, die Lebensweise und Kultur der Nomaden respektieren und ihnen vor Ort Hilfe zur Selbsthilfe anbieten.

VSF-Suisse ist der ideale Partner für Not- und Entwicklungshilfeprojekte in der Somali-Region, da die meisten Feldmitarbeiter selbst aus der Region kommen. Sie haben Naturkatastrophen wie Dürren bereits am eigenen Leib erlebt. Sie wissen, was im Rahmen der Nothilfe zu tun ist: «Es werden Tierfutter und Fleisch verteilt, verlassene Wasserstellen wieder aufgebaut, sowie Tierkadaver entsorgt, damit es nicht zum Ausbruch schwerer Krankheiten kommt» berichtet Nicole.

Kampf gegen tödliche Krankheiten in der Somali-Region

Eine der schlimmsten Tierkrankheiten ist die Kleinwiederkäuer- Pest (PPR). Sie sucht die Nutztiere der Somali- Region immer wieder heim und konnte bisher nicht unter Kontrolle gebracht werden. Es gibt jedoch Hoffnung: Die PPR ist nämlich eine der wenigen Tierkrankheiten, die mit ausreichend Wissen und Mitteln in der Region ausgerottet werden können.

Die Generaldirektion Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz der Europäischen Kommission (ECHO) hat 2011 die SHARE-Initiative ins Leben gerufen. SHARE steht für «Supporting the Horn of Africa’s Resilience». Die Initiative legt den finanziellen Grundstein für die Kontrolle der PPR. Sie soll den Nomaden helfen, sich von der aktuellen Dürre zu erholen und in Zukunft solche Krisen aus eigener Kraft zu bewältigen. Von Gode in Zentral-Somali aus soll die PPR unter Kontrolle gebracht werden. «Dieses Projekt ist eine unvergleichliche Chance, Entwicklungshilfe zu leisten und damit die Lebensbedingungen der Nomaden nachhaltig zu verbessern», ist Nicole überzeugt. VSF-Suisse freut sich auf den Start des Projekts zur Kontrolle der PPR Anfang 2016. Es soll gemeinsam mit der äthiopischen Regierung, dem Internationalen Institut für Nutztierforschung (ILRI), der Veterinärmedizinischen Hochschule London (RVC) sowie den deutschen Tierärzten ohne Grenzen durchgeführt werden. Menschen aus der Region werden zu Laientierärzten ausgebildet und Spezialisten werden lernen, Impfstoffe gegen PPR selbst herzustellen. Da die immer wieder unterbrochene Kühlkette bisher ein Problem bei der Anlieferung des Lebendimpfstoffs darstellte, wird an der Entwicklung eines thermostabilen Impfstoffs gearbeitet. Das Ziel ist es, der Bevölkerung der Somali-Region das Know-How und die technischen Mittel zur Verfügung zu stellen, um die fürchterliche Krankheit aus eigener Kraft besiegen zu können. «Ist die Bevölkerung erst einmal gegen die PPR gerüstet, kann sie Katastrophen wie der derzeitigen Dürre viel besser Stand halten» erzählt Nicole.

Gemeinsam mit den Nomaden kämpft VSF-Suisse jeden Tag im Feld für eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. Gesunde Tiere in einer gesunden Umwelt zu halten, damit sich auch die Menschen ausgewogen und gesund ernähren können, ist ein grosses Ziel, das jedoch erreichbar ist. Dass es gelingen kann, beweisen viele erfolgreiche Einsätze von Vétérinaires Sans Frontières Suisse in der Vergangenheit.

Text: Kerstin Köffel, VSF-Suisse
Fotos: Nicole Litschgi, VSF-Suisse, Äthiopien 2015

Sterbende und tote Tiere in der Siti-Zone.
Entkräftete Esel an einer der wenigen Wasserstellen.
Ein Nomade mit ausgemergeltem Vieh.
Spendenkonto:
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