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Das besondere Bild: Out of Africa
Weshalb hat dieses Bild, abgesehen vom historischen Dokumentationswert, noch heute eine besondere Bedeutung?
Mit dem Satz «Out of Africa» verbindet man im Allgemeinen entweder den amerikanischen Spielfilm (1985), basierend auf dem Leben der dänischen Schriftstellerin Karen Blixen oder die sogenannte «Out-of-Africa-Theorie » mit der in der Paläoanthropologie die Annahme bezeichnet wird, dass die Gattung Homo ihren Ursprung in Afrika habe.
Für die Geschichte der veterinärmedizinischen Infektionsforschung verbindet sich mit dem Satz nicht zuletzt auch die Tatsache, dass bereits vor mehr als 100 Jahren, 1908 in Onderstepoort im Transvaal die damalige englische Kolonialregierung der Regierung von Transvaal den Auftrag zur Errichtung eines «Veterinary Research Laboratories» erteilt. Damit gehören die «Veterinary Bacteriological Laboratories» zu einer der ersten derartigen Institutionen weltweit und zum ersten auf dem afrikanischen Kontinent. Die Versuchsstelle zur Erforschung der Maul- und Klauenseuche, das heutige Friedrich- Loeffler-Institut auf der Insel Riems wurde im damaligen Deutschen Reich 1910 eröffnet.
Mit dem Institut in Transvaal verbunden ist ein Teil der Geschichte der Veterinärmedizin der Schweiz. Zum ersten Leiter des neu eingerichteten Instituts wurde Arnold Theiler bestimmt (Schläpfer, 1982). Theiler, gebürtig aus Frick (AG), lebte und arbeitete bereits seit 1891 als Tierarzt in Südafrika. Nachdem er bei einem Unfall seine linke Hand verlor, hat er sich Schritt für Schritt in Richtung einer Tätigkeit im Labor spezialisiert. In den folgenden Jahren bedrohten Menschen und Tiere verschiedenste Infektionskrankheiten, wie z. B. Pocken, ostafrikanisches Küstenfieber, Tuberkulose, Rinderpest. Theiler musste sich immer weiteren Infektionskrankheiten widmen, was zu seiner Wahl als Leiter des neu eingerichteten Labors führte (Häsler, 2015). Als Mitarbeiter versuchte er, Kollegen aus der Schweiz zu rekrutieren, wobei er sich auf Empfehlungen seines Zürcher Lehrers Prof. Erwin Zschokke stützte, mit dem er regelmässigen Kontakt pflegte und ihn auch immer wieder besuchte. Bernhard Kobler (1878–1964), ein Zürcher Absolvent, berichtet nachträglich im Jahr 1963 über diese Zeit. Theiler bot ihm auf Empfehlung von Prof. Zschokke eine Stelle in Onderstepoort an, die er nicht antreten konnte. Dieses Angebot erging dann im November 1906 an Walter Frei (1882–1972), ebenfalls ein Zürcher Absolvent, und auch 1908 an Karl Friedrich Meyer (1884– 1974), der in Bern und Zürich zum Tierarzt ausgebildet wurde. Beide wurden von Theiler an das neue Institut nach Onderstepoort verpflichtet (Transvaal Department of Agriculture, 1909). Frei und Meyer kannten sich aus der Studienzeit an der Tierarzneischule/vet.-med. Fakultät in Zürich.
Walter Frei erhielt die Aufgabe, als «Assistant Government Veterinary Bacteriologist» zu arbeiten und blieb bis ca. 1911, um danach einem Ruf als Direktor des veterinär-pathologischen Instituts an der noch jungen veterinär-medizinischen Fakultät den Altmeister Prof. Erwin Zschokke abzulösen und dieses Institut bis 1952 zu leiten. Als «Government Veterinary Pathologist» wurde Karl Friedrich Meyer angestellt. Nachdem Theiler und Meyer immer wieder, offenbar teils heftige Auseinandersetzungen hatten, verliess Meyer 1910 auf eigenen Wunsch das Institut in Onderstepoort und kehrte in die Schweiz zurück, um dann später zuerst eine Anstellung in Philadelphia an der University of Pennsylvania School of Medicine anzutreten. Von 1913 bis 1974 lehrte und forschte er am Department of Animal Pathology des Rockefeller Instituts in San Francisco. Dort wurde K. F. Meyer zu einem berühmten und hochgeehrten Wissenschaftler und Vorvater der «one health – one medicine»-Bewegung, der sich wissenschaftlich mit einer grossen Zahl von Infektionskrankheiten von Tieren und Menschen befasste (Gessner, 2014; Pospischil, 2009, 2015).
Auf der Liste der Mitarbeiter des Instituts geführt, aber auf dem Bild nicht identifizierbar, wird als Zoologe Lewis Henry Gough aufgeführt, der offenbar auch über die «swiss connection» auf Empfehlung von Professor Zschokke aus Basel nach Onderstepoort vermittelt wurde (Gough, 1911). Die Büroarbeiten des Instituts besorgte unter anderem Friedrich Traugott Mauchle (vermutlich aus Kloten), der viele Jahrzehnte für Theiler arbeitete, aber auf dem Bild ebenfalls nicht zu identifizieren ist (Heine, 2014).
Weshalb hat dieses Bild, abgesehen vom historischen Dokumentationswert, noch heute eine besondere Bedeutung? Es zeigt zum einen die Tatsache, dass internationale Netzwerke unter Beteiligung von Schweizer Tierärzten und Forschern bereits vor mehr als 100 Jahren vorhanden waren und gepflegt wurden. Heute bezeichnet man solche Netzwerke z. B. mit Stichwort «one health – one medicine». Darüber hinaus beeindruckt aus heutiger Sicht die «Mobilität» von Tierärzten und Forschern, sich unter den damals herrschenden Reisebedingungen von Europa nach Südafrika zu begeben.
Die zur Zeit der Gründung des Instituts hervorragenden und modernen Einrichtungen der Veterinary Bacteriological Laboratories of the Transvaal waren Grundlage für bedeutende Erfolge bei der Diagnose und Bekämpfung von verschiedensten Infektionskrankheiten bei Tieren, wie Rinderpest, Milzbrand, Bluetongue, Ostküstenfieber und andere und zeigen im Übrigen, dass man sich bereits vor mehr als 100 Jahren um die veterinärmedizinische und landwirtschaftliche Entwicklung von Afrika bemüht hat.
Andreas Pospischil, Schweizerische Vereinigung für Geschichte der Veterinärmedizin (SVGVM)
Literatur
Kobler B.: Erinnerungen aus den Jugendjahren der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität. Typoskript, 1963.
Gessner U.: Karl Friedrich Meyer (1884–1974): His ambitions, approach and achievements. J. Med. Biogr. Online First. 2014, doi: 10.1177/0967772013506805.
Gough LH.: A Monograph oft the Tape-worms of the Subfamily Avitellininae, being a Revision oft he Genus Stilesia, and an Account oft he Histology od Avitellina centripunctata (Riv.). Quart. J. Micro. Sci. 1911 56,: 317–385.
Häsler S.: Arnold Theiler aus Transvaal, Bericht über den Veterinärdienst im Burenkrieg, 1901. Schweizerische Vereinigung für Geschichte der Veterinärmedizin, Neujahrsgabe 2015.
Heine H.: Concise History of the Origin and Establishment of The Onderstepoort Veterinary Research Institute, 2014, www.arc.agric.za/arc-ovi/Documents/Concise%20 History%20of%20ARC-Onderstepoort%20Veterinary%20 Institute.pdf
Pospischil A.: From disease to etiology: historical aspects of Chlamydia-related diseases in animals and humans. Drugs Today. 2009, 45 Suppl B:141–146.
Pospischil A.: Human and animal health on three continents – a biography of the early life of Karl Friedrich Meyer (1884–1974). Pathog. Dis. 2015 May 31. [Epub ahead of print], PMID: 26032783
Schläpfer H.: Die Entwicklung der Tierarzneischule Zürich von 1882 bis 1902. Dissertation, Universität Zürich, 1982.
Transvaal Department of Agriculture: The Veterinary Bacteriological Laboratories. The Government Printing and Stationary Office, Pretoria, 1909.