Journal Schweiz Arch Tierheilkd  
Verlag GST  
Heft Band 157, Heft 8,
August 2015
 
ISSN (print) 0036-7281  
ISSN (online) 1664-2848  
online seit 03 August 2015  
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Stall- und Klinikdienst für die angehenden Tierärzte im ersten Berner Tierspital

Schweizerische Vereinigung für Geschichte der Veterinärmedizin (SVGHM). www.svgvm.ch

Die Tierarzneischule in Bern wurde 1806 gegründet. Sie befand sich in den ersten 20 Jahren ihres Bestehens hinter dem Burgerspital. Der Schule war ein Tierspital mit einem Hof und mehreren Ställen angegliedert. In einem kürzlich gefundenen Manuskript wird der Stall- und Klinikdienst der Studenten beschrieben.

Im Jahr 1810 besuchten 19 Studenten die Schule. Die meisten Vorlesungen hielt der Vorsteher und einzige vollamtliche Lehrer, Prof. Dr. med. Ludwig Carl Friedrich Emmert. Im Klinikbetrieb unterstützten ihn zwei Untertierärzte, die im Tierspital wohnten. Es handelte sich dabei um Studenten mit guten praktischen Vorkenntnissen. Die Dienste der Klinik waren in Bern gefragt, bis zum Juni 1810 sind bereits 81 Pferde, ferner Rinder und Schafe eingewiesen worden. 67 Pferde konnten als geheilt entlassen werden. Bei den übrigen wurden als häufigste Todesursachen Darmgicht, Koller und Starrkrampf genannt. Weitere Krankheiten waren Gliedersucht, Mondblindheit, Verdauungsschwäche, Strängel, Druse, Wurm, Hufkrankheiten (Rubeli T. O.: Die Tierärztliche Lehranstalt zu Bern. Bern, 1906).

Neue Erkenntnisse über den Klinikbetrieb bringt der Fund eines Manuskripts in der historischen Bibliothek des Tierspitals Bern (Prof. Michael Stoffel sei dies bestens verdankt). Es trägt den Titel: «Verordnung unter denen Herren Studiosii artis veterinariae in Betreff über das Klinikum und Putzen der kranken Pferde im Tierspital in Bern.» Im Vorwort wird von der «grossen Mühe und Beschwerlichkeit» der Arbeit der Untertierärzte und dem «Nutzen und Vorteil» des Klinikeinsatzes für die übrigen Studenten berichtet. Der Einsatz wird in neun Artikeln geregelt, hier der erste Artikel: «Alle in das Thier-Hospitall aufgenommenen kranken Pferde sollen von den Studenten der Thierarzneykunde in der von Herrn Professor bestimmten Stunde als Klinikum alle Tage einmal geputzt und ihnen die in der Zeit des Klinikums zuzukommende Artzneymitteln gegeben werden.» Die Studenten wurden zu Zweierteams zusammengestellt, so dass der älteste mit dem jüngsten, der zweitälteste mit dem zweitjüngsten usw. zusammenarbeitete. Die Pferde wurden wöchentlich neu zugeteilt. Jeder Student hatte Anspruch auf genügend Patienten. Zusätzlich zur therapeutischen Tätigkeit und zum Putzen mussten sie für dringende Fälle zur Verfügung stehen und auf Vorrat Medikamente aus den Arzneistoffen des Tierspitals zusammenstellen.

Die Handschrift kann anhand von Schriftvergleichen dem Studenten Matthias Anker zugeordnet werden. Anker war Untertierarzt bei Emmert und wurde später dessen Nachfolger. Weil das Manuskript nicht unterzeichnet ist und nur zufällig, im Zusammenhang mit einer Rezeptur auf der Rückseite datiert ist (4. Juni 1810), ferner wegen der vielen Korrekturen, muss es als Entwurf qualifiziert werden. Eine definitive Fassung konnte bisher nicht gefunden werden. Fankhauser und Hörning (Schweiz. Arch. Tierheilk., 127, 747–776, 1980) berichten, dass auch später, unter der Leitung von Professor Matthias Anker, die Studenten in vergleichbarer Art zum praktischen Einsatz verpflichtet waren. (SH)

Schweizerische Vereinigung für Geschichte der Veterinärmedizin

Entwurf einer Verordnung über den Stall- und Klinikdienst im Tierspital Bern, 1810.
 
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